Blüten, Koks und blaues Blut
wir die Namen noch.“
„Wie immer, Burma! Sie verraten einem noch lange
nicht alles, was Sie wissen. Glauben Sie, die Geldfälscher stehen auf der
Liste?“„Ja. “
Er setzte seine Brille wieder auf und lachte.
„In ihrem Munde verändern die Wörter ihre
Bedeutung“, sagte er. „Nein heißt ja, und beides heißt vielleicht! Ich will
Ihnen mal was sagen: Diese Liste hier...“ Er nahm das Papier aus seiner
Brieftasche. „Diese Liste stellt die crème de la crème dar. Alles
Vertreter der oberen Zehntausend, ständige Gäste auf Rennplätzen, in Kasinos
und bei den Galaabenden des Palm-Beach. So gut wie über jeden Verdacht
erhaben.“
„Geben Sie trotzdem mal her“, sagte ich und
streckte die Hand aus. „Wir werden ja sehen.“
„Gestatten Sie, daß ich die Namen abschreibe?
Vielleicht kommt mir bei einem von ihnen in den nächsten Tagen eine Idee.“
Dédés Füllfederhalter kratzte über das Papier.
Ich goß uns einen zweiten Weinbrand ein. Endlich konnte ich eine der beiden
Namenlisten einstecken.
Wir redeten noch eine Weile, tranken zwei, drei
weitere Gläschen und begaben uns dann zur Fortsetzung in ein nahegelegenes
Bistro. Vom Apparat an der Theke aus rief ich Jacqueline an. Sie war zu Hause
und hatte nichts gegen einen Besuch von mir einzuwenden. Da ich Milandre nicht
überallhin mitschleppen konnte — schließlich hatte er noch was anderes zu tun —
, ging ich alleine in das Appartment der Varieté-Tänzerin.
„Ich muß Ihnen gestehen, daß ich nicht ganz
aufrichtig war“, begann ich, kaum daß ich saß.
Dieses Geständnis sollte den Eindruck erwecken,
daß ich in Zukunft das Versteckspiel seinlassen würde. Ich setzte das Mädchen
über die nötigsten Fakten ins Bild, ohne sie allerdings in meine noch vage
Theorie einzuweihen. Sie schien zunächst entsetzt, beruhigte sich dann aber
schnell wieder. Offenbar hatte sie bis jetzt als Selbstmordmotiv verschmähte
Liebe angenommen, ganz so, wie diese hinterlistige Mado es ihr eingeflüstert
hatte. Sie war glücklich, diesen Gedanken fallenlassen zu können.
„War Kommissar Pellegrini hier?“ fragte ich.
„Nein.“ Sie lächelte verschmitzt-vorwurfsvoll. „Haben
Sie ihm meine Adresse gegeben?“
„Wofür halten Sie mich?“ entgegnete ich. „Hab
ich Sie gestern etwa deswegen davon abgehalten, in Pierres Haus zu gehen? Nein,
Pellegrini hat Ihr Foto in Pierres Schreibtisch entdeckt. Ich nahm an, er würde
wie der Blitz hier auftauchen. Hab ihn wohl überschätzt. Anscheinend ist er
schwerfälliger, als er aussieht.“
Beim Reden untersuchte ich unauffällig den
Inhalt eines kleinen Papierkorbs, fand aber nicht das, was ich suchte. Als ich
schon gehen wollte, klingelte das Telefon. Jacqueline hob ab, und ich wartete,
neugierig wie... na ja, wie ein Detektiv eben. Ich tat gut daran. Der Anruf war
für mich.
Am anderen Ende der Leitung war Milandre. Er
fragte mich, ob ich mit dem Namen Jean Lebrot etwas anfangen könne. Ich bat
ihn, nicht in Rätseln zu sprechen. Davon hätte ich schon genug zu lösen.
„Er steht auch auf der Liste“, erklärte Dédé. „Vielleicht
interessiert es Sie, daß er im Moment einige seiner Werke in einer Galerie in
der Rue d’Antibes ausstellt...“
„Nein.“
„...Es handelt sich um Radierungen. Sind Sie
sich im Klaren darüber, was das bedeutet?“
Und wie klar mir das war! Im Nu stand ich auf
der Straße und machte mich auf den Weg zu diesem Jean Lebrot.
Unterwegs traf ich Joseph. Der morgendliche
Aperitif machte sich bei ihm noch immer bemerkbar. Er erkannte mich, starrte
mich an... und grüßte nicht! Entweder mochte er Detektive ganz allgemein nicht,
oder aber er verübelte mir meine Anspielungen von heute morgen. Er, der anfangs
einen so höflichen Eindruck auf mich gemacht hatte! „Guten Tag, Monsieur... Auf
Wiedersehen, Monsieur“... Na ja, jeder kann sich mal irren. Nachdenklich setzte
ich meinen Weg fort.
Der Radierer war verreist. Seine geschwätzige
Haushälterin erzählte mir, der Präfekt von Nizza habe ihn eingeladen. Die Frau
war stolz wie Oskar.
Ich machte mich auf zu der Galerie, die die
Werke des Künstlers ausstellte. Aus dem Katalog erfuhr ich, warum man ihn in
die Hauptstadt des Departements gebeten hatte. Er war offiziell mit der
Illustration des Goldenen Buches über die Côte d’Azur beauftragt worden. Tja,
Jean Lebrot war die Ehrenhaftigkeit in Person, aber... Er war eben Radierer,
und ein talentierter dazu. So einen Mann braucht man, wenn man falsche
Banknoten
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