Blüten, Koks und blaues Blut
fort, „war
sicherlich für seinen Notar.“
„Und der dritte?“
„Ich bin kein Hellseher.“
In diesem Augenblick klingelte das Telefon.
Robert de Fabrègues nahm den Hörer ab. Es war der Notar. Wenn man vom Teufel
spricht...
„Geben Sie ihn mir“, forderte ich de Fabrègues
auf. „Hallo, Maître Dianoux? ... Hier Nestor Burma, Privatdetektiv. Ich bin
derjenige, dem Sie die fünftausend Francs auszahlen sollen. Doch darüber wollte
ich im Moment nicht mit Ihnen reden. Sagen Sie, Maître, wann haben Sie den
Brief Ihres Klienten erhalten?“
„Vor knapp einer Stunde“, antwortete der Notar.
„Erst heute?“ wunderte ich mich.
„Ja. In Nizza streiken die Postangestellten
und...“
„Ach! Und der Brief stammt tatsächlich aus der
Feder von Monsieur Pierre?“
„Ganz bestimmt. Ich kenne seine Handschrift.
Außerdem schrieb nur er mir mit roter Tinte.“
„Ja, das gehörte zu seinen Gewohnheiten. Wie die
Lektüre von Barbey d’Aurevilly, nicht wahr?“
„Ja, er bewunderte den Schriftsteller.“
„Würden Sie mal bitte auf den Poststempel
schauen?“
„Gerne... 24. Juli.“
„Mich interessiert vor allem die Uhrzeit.“
„Die Uhrzeit... 23 Uhr 15. Ein wenig undeutlich,
aber ich glaube, ja, es ist 23.15.“
„Wunderbar. Dann lag er also zur Leerung um 22
Uhr 30 im Briefkasten, nicht wahr?“
„Das kommt hin, aber...“
„Ich gebe Ihnen Monsieur Robert.“
Der Bruder des Verstorbenen nahm wieder den Hörer
und unterrichtete den Notar über das Drama, so gut er konnte. Dann legte er auf
und hob sofort wieder ab, um in der Telefonzentrale seine eigene Nummer in
Montpellier zu verlangen.
„Höchst ungewöhnlich, wenn mein Bruder nicht
auch mir eine Nachricht hätte zukommen lassen“, sagte er. „Ich möchte mich noch
einmal vergewissern.“
Ich entließ Joseph, von dem ich das Nötigste
erfahren hatte, und machte mich daran, das Arbeitszimmer zu untersuchen. Die
modernen Bilder und die afrikanischen Figuren bildeten einen bizarren Rahmen
für den Fürsten der Dichtung. Die Werke des Schriftstellers hatten einen
bevorzugten Platz in einem Regal. Fabrègues war Eklektiker gewesen.
Ich durchsuchte die Schubladen. Abgesehen davon,
daß Pellegrini und seine Leute schon vor mir hiergewesen waren, hatte der Graf
anscheinend alles vernichtet, was ihn kompromittieren konnte. Wortlos
betrachtete ich den Kamin, aus dem die Asche entfernt worden war.
Dann nahm ich mir die Schreibunterlage vor. Mit
Hilfe eines Taschenspiegels versuchte ich, etwas auf dem Löschblatt zu
entziffern. Es gab nichts zu entziffern. Das Löschblatt war jungfräulich rein.
Robert de Fabrègues bekam die Verbindung mit
seiner Wohnung in Montpellier. Nun war auch der Verbleib der zweiten Briefmarke
klar. Pierre hatte mit ihr den Brief an seinen Bruder frankiert. Er war mit
roter Tinte geschrieben. Der Poststempel datierte vom 24. Juli, 23 Uhr 15.
Es war an der Zeit, vor „einem stärkenden
Getränk über die ganze Angelegenheit nachzudenken. Ich verabschiedete mich von
meinem neuen Klienten, indem ich ihm versicherte, das Unmögliche zu versuchen,
um das Andenken seines Bruders reinzuwaschen. Von den Folgen der Sauferei
spürte ich nichts mehr. Ich konnte sogar wieder Pfeife rauchen, ohne daß mir
schwindlig wurde. Nur ein stechender Schmerz im Ohr erinnerte mich hin und
wieder an meinen Boxkampf.
Wir verließen das Haus, gerade rechtzeitig, um
Joseph in einem kleinen Bistro verschwinden zu sehen.
„Da geht unser Butler und kippt sich einen
hinter die Binde“, bemerkte ich. „Gehen wir hin und tun wir desgleichen.“
„Vorsicht, Burma“, ermahnte mich Milandre
fürsorglich. „Fangen Sie nicht wieder so an wie gestern!“
„Keine Gefahr“, beruhigte ich ihn und kratzte
mein schmerzendes Ohr.
Wir betraten das kleine Bistro, in dem sich
Joseph gerade an der Theke einen Pastis servieren ließ. Neben seinem
Glas stand ein Tintenfaß.
„Sieh an“, sagte ich zu ihm, nachdem wir zwei
Pantherwasser bestellt hatten, „wird das ein Brief an die Tante?“
„Ich habe keine Tante, wie gesagt, dafür aber
andere Verwandte“, erwiderte der Butler trocken. „Denen muß ich doch zumindest
schreiben, was mir zugestoßen ist.“
„Ihnen?“
„Na ja... Was Monsieur zugestoßen ist, genauer
gesagt. Das bleibt sich gleich... Ein so stilles Haus... Eine hochanständige
Familie... Zwanzig Jahre bin ich nun schon dort... Hab ihn von klein auf
gekannt... Und jetzt diese Tragödie! Ach, wir sind nur ein
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