Blüten, Koks und blaues Blut
wußte? Wie kamen die
Gangster auf diese Schnapsidee?
Wir ließen die Frage im Raum stehen und beendeten
die Sitzung. Unsere grauen Zellen hatten genug gearbeitet.
Leclercq wurde von seinen beruflichen Pflichten
im Hotel festgehalten. Ich lud Hélène ein, mit mir zusammen eine italienische
Ratatouille in einem Restaurant zwei Straßen weiter zu probieren. Als wir das
Hotel verließen, kam uns ein Bote der Post entgegen. Er brachte einen Eilbrief
für Monsieur Burma. Marc Covet, der Redakteur des Crépuscule in Paris,
hatte auf unser Telefongespräch reagiert. Zwei Gründe hielten mich davon ab,
das Kuvert sofort zu öffnen: Erstens mußte Hélène nicht unbedingt wissen, was
drin stand; und zweitens hatte ich Hunger. Ich schob den Brief in meine Tasche.
„Könnten Sie sich ein wenig beeilen?“ fragte ich
meine Sekretärin, die ihre Zucchini auf der Zunge zergehen ließ. „Ich möchte
gerne während der Pause im Eldorado sein.“
Ohne ihre Kaubewegungen zu beschleunigen, fragte
sie zurück:
„Was wollen Sie denn dort?“
„Mado Poitevin treffen.“
„Ist sie hübsch?“
„Wenn man dünne Bohnenstangen mag, ja. Aber
heute abend zieht mich nicht ihr Sex-Appeal zu ihr.“
„Sondern?“
„Sie hat behauptet, daß Fabrègues von Jacqueline
die Nase voll hatte. Wie Sie wissen, glaube ich das auch. Was ich aber nicht
glaube, ist, daß sie ganz alleine darauf gekommen ist. Das traue ich ihr nicht
zu. Dennoch... Sie war so verdammt sicher... Also, was ist? Können Sie
schneller kauen oder nicht?“
„Ich habe nicht die Absicht, mir den Magen zu
ruinieren.“
„O.k. Lassen Sie sich ruhig Zeit. Also, dann bis
demnächst... am Strand.“
Ich eilte zum Eldorado und dort direkt
hinter die Kulissen. Jacqueline Andrieu freute sich, mich wiederzusehen.
„Wo ist Mado Poitevin?“ fragte ich sie. „Würde
gerne fünf Minuten mit ihr sprechen.“
„Was? Wissen Sie das noch nicht? Sie ist heute
nachmittag festgenommen worden!“
Meine Pfeife fiel mir aus der Hand und landete
in einer riesigen Puderdose.
„Was erzählen Sie da? Festgenommen? Warum?“
Ich hörte mir vage Vermutungen an. Meine
Nachforschungen bei Mados anderen Kolleginnen waren ebensowenig von Erfolg
gekrönt. Sogar die Garderobenfrau mußte passen. Besser, ich setzte mich direkt
mit dem Lieben Gott in Verbindung. In diesem Falle hieß das: mit dem
Hauptkommissariat.
Pellegrini war nicht in seinem Büro. Die
diensthabenden Beamten waren wie aus Holz. Genauso mitteilsam wie’n Bügelbrett.
Mit viel Geduld brachte ich dennoch aus ihnen heraus, daß tatsächlich eine
Tänzerin verhaftet worden war. Der Kommissar habe sich nicht sonderlich für den
Fall interessiert, und sie (meine Holzköpfe) wüßten nicht, worum es da ging. Ob
mir das als vorläufige Erklärung reiche? Ich wollte nicht wegen
Beamtenbeleidigung drankommen und zog ab, so schlau wie vorher. Im Roten
Vogel setzte ich mich hinter ein kleines Bier und dachte nach, im Ohr das Meeresrauschen,
im Mund meine Pfeife. Dann nahm ich das Kuvert aus der Tasche und sah mir an,
was mein Freund Marc Covet mir mitzuteilen hatte.
10
Der
Heimatlose
„Miss Laura Sutton, reiche und exzentrische
Engländerin ohne nähere Anverwandte, wohnte am Boulevard du Montparnasse. Eng
befreundet mit Tchimoukoff, Maler; Lebreton, Musiker; Darnoux, Filmemacher;
Raymonde Saint-Cernin, Schriftstellerin; Marcel Chevalme, Arzt. Eigenartiges
Verhalten. Ließ mehrmals verlauten, sie suche nur nach einem geeigneten Mittel,
um sich das Leben zu nehmen. Vor drei Jahren, am 12. Juni, tot in ihrer Wohnung
aufgefunden. Todesursache: Überdosis Kokain. In den Papieren der Verstorbenen
befand sich eine handgeschriebene Notiz, unterzeichnet mit M. und identifiziert
als die Handschrift von Dr. Chevalme, in der es hieß, er lasse ihr nun doch das
zukommen, was sie schon lange von ihm erbeten habe. Die Anwälte von Laura
Sutton (Harock, Harock and Harock, London) bewahrten in ihrer Pariser Kanzlei
im Tresor das Testament der Toten auf. Chevalme gehörte zu den Erben. Er als
Arzt war auch als einziger aus dem Freundeskreis der Engländerin in der Lage
gewesen, das Rauschgift ohne Risiko zu besorgen. Alles deutete auf Chevalmes
Schuld hin. Er hatte hohe Schulden und war früher schon mal in eine unsaubere
Sache verwickelt gewesen, mußte aber aus Mangel an Beweisen auf freien Fuß
gesetzt werden. Stand in schlechtem Ruf. Chevalme gab zu, die Notiz geschrieben
und das Rauschgift besorgt zu haben, ohne zu wissen, was
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