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Blüten, Koks und blaues Blut

Blüten, Koks und blaues Blut

Titel: Blüten, Koks und blaues Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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gekommen,
Hélène. Aber nur keinen Neid! Dédé ist so blank wie ‘ne Kirchenmaus. Hab ihn
schwer in Verdacht, daß er sich von Haus zu Haus und von Jacht zu Jacht
durchschnorrt.“
    In diesem Augenblick wurde an die Tür geklopft.
Ich rief „Herein!“, und René Leclercq erschien in der Tür. Er kam wie gerufen.
Ich hatte Durst.
    „Und?“ fragte er. „Gibt’s was Neues?“
    „Jede Menge“, antwortete ich. „Wenn Sie uns ein
Fläschchen Anis raufbringen, erzähle ich Ihnen ‘ne schöne Geschichte.“ Kurz
darauf stand neben mir auf dem Nachttisch ein Bierglas mit einer opalartigen
Flüssigkeit, in der kleine Mini-Eisberge schwammen. Ich trank einen Schluck und
begann mit der Schilderung der morgendlichen Ereignisse.
    „Und Sie glauben, die beiden Fälle stehen in
Zusammenhang?“ fragte Leclercq, als ich geendet hatte. Hörte sich an wie
Pellegrinis Echo.
    „Dufours Beruf bringt mich auf diese Idee.
Natürlich können wir ihn für ein Unschuldslamm im Stile Lebrots halten.
Genausogut könnte er aber auch Mitglied einer kriminellen Bande gewesen sein.
Denken Sie an den Revolver, den er unterm Arm mit sich rumschleppte. Sie müssen
zugeben, daß das einigermaßen sonderbar ist. Für mich ist das ein Beweis seiner
kriminellen Energie. Und dann sein letzter Kraftakt! Stellen Sie sich das mal
vor: Mit einer Ladung Blei im Körper, das Gesicht einschließlich Augen von
dieser Säure verbrannt, schwer und leidend sozusagen, hat er trotzdem noch den
Willen, die Kraft und die Energie oder wie Sie es sonst noch nennen wollen —
von Moral reden wir hier besser nicht! — , hat er das alles noch aufgebracht,
um sich vom Keller ins Atelier und von dort auf die Galerie zu schleppen! Wenn
das nicht die Leistung eines Profis war...“
    „Allerdings“, stimmte René mir zu. „Ein
ängstliches kleines Mädchen ist was anderes.“
    „Aber warum?“ fragte Hélène. „Warum dieser
Kraftakt?“
    „Um auf den oder die Täter hinzuweisen. Nur...
Ich fürchte, es hilft uns nicht weiter. Musik von Richard Wagner! Mit dem Indiz
könnte Sherlock Holmes vielleicht was anfangen. Ich nicht. Und Pellegrini noch
viel weniger, was mich auch nicht tröstet.“
    „Und der Hinkende?“ warf Leclercq ein, wobei er
die Eiswürfel in seinem Glas hin- und herschwenkte. „Ein Komplize, der auf
seinen Reisen eine Ladung falscher Banknoten mitgebracht hat?“
    „Stimmt, er ist Engländer“, murmelte Hélène. „In
einer Wechselstube sind falsche Pfund Sterling aufgetaucht. Aber finden Sie
nicht, daß halbjährliche Lieferungen etwas wenig sind? Und warum sollten seine
Komplizen ihn umgebracht haben, Monsieur Leclercq?“
    „Die zwei Besuche pro Jahr sind kein Argument.
Es lag nicht im Interesse dieser Leute, zu oft das Risiko an der Grenze
einzugehen. Was Ihre zweite Frage angeht... Es wäre doch nicht das erste Mal,
daß Verbrecher sich streiten und sich gegenseitig umbringen. Außerdem ist auch
der Radierer ermordet worden. Und nicht von der Polizei, soviel ich weiß!“
    „Stimmt“, mischte ich mich ein. „Und sein
Totentanz hinauf auf die Galerie beweist, daß er seine Mörder kannte. Ich tippe
auf seine Komplizen oder auf eine rivalisierende Bande.“
    „Seltsam“, beharrte Hélène und schnitt eine
dementsprechende Grimasse. „Wie vereinbart es sich mit Ihrer Logik, daß Geldfälscher
einen Radierer umbringen? Ihren Radierer! Solch ein Mann ist nicht nur
nützlich für ihren Zweck, sondern unentbehrlich. Und schwer zu ersetzen. Was
wir brauchen, ist ein Tatmotiv, das
    „Heureka!“ rief ich plötzlich und schwang meine
Pfeife. „Was braucht ein Radierer, um seine Kunst auszuüben?“
    „Seine Hände, natürlich! Was..
    „Und seine Augen, liebe Leute. Seine Augen!
Folglich war Dufour plötzlich erblindet. Das Tatmotiv, Hélène! Der Radierer war
für die Geldfälscher sozusagen ein blinder Passagier geworden, den sie sich vom
Halse schaffen mußten.“
    Hélène lachte laut auf.
    „Treffender kann man es nicht sagen“, bemerkte
sie. Dann wurde sie wieder ernst. „Und wer hat ihn umgebracht? Der Engländer?“
    „Der hatte keine Waffe, aber dafür verätzte
Finger. Der eine die Augen, der andere die Finger. Das, um es wieder treffend
zu sagen, springt ins Auge.“
    „Wollen Sie andeuten, daß die beiden sich einen
Kampf geliefert haben, bei dem der Hinkende seinem Widersacher Säure ins
Gesicht geschüttet hat?“
    „Ich will nichts andeuten, sondern bin fest
davon überzeugt! Erinnern Sie sich an den Revolver,

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