BLUFF!
und Moral verbreiten, wenig erleuchtete Zeitgenossen, die angeblich alles zum Sinn des Lebens wissen, und wenig kluge Gestalten, die Ratgeber für alles und jedes verfassen. Die Prominenz des Autors ist dabei das Entscheidende und leider nicht seine Erfahrung mit dem wirklichen Leben oder gar seine Weisheit, wie man früher sagte. Prominenz statt Kompetenz lautet die Devise. Man mache sich da keine Illusionen, all diese Bücher haben ihre Wirkung, denn sie tragen dazu bei, die wichtigen Grenzen zwischen wahr und falsch, gut und böse, sinnvoll und unsinnig aufzuheben und die Leser in der kurzen Zeit ihres Lebens in wichtigen Fragen höchst geschäftstüchtig in die Irre zu führen. Nach dem Motto: Irgendeine Orientierung ist besser als gar keine Orientierung, führt die Lebensbahn solcher leichtgläubigen Menschen dann auf direktem Weg nach Absurdistan.
Psychologisch jedenfalls wirken die indirekten Botschaften der Medien intensiver als die direkten, gegen die man sich eher direkt wehren kann. Der große Bereich der Unterhaltung hat heute wahrscheinlich auf das Bild, das sich Menschen von der Welt und vom Leben machen, einen größeren Einfluss als alle direkten Informationen. Wer viel arbeitet und wer nicht arbeitet, wer langweilige Arbeiten verrichtet und wer besonders konzentriert arbeiten muss, sie alle haben eines gemeinsam: Sie wollen unterhalten werden. Das erklärt, warum die Unterhaltungsindustrie heute zu den unangefochtenen Wachstumsbranchen gehört. »Wir amüsieren uns zu Tode«, warnte schon vor fast dreißig Jahren Neil Postman. Zwar sind tödliche Folgen bisher ausgeblieben, die Bedeutung von Unterhaltung für die Sicht, die wir von der Welt haben, ist freilich inzwischen eher noch gestiegen. Unterhaltung nimmt bei vielen einen großen Teil ihrer angeblich frei bestimmten Zeit ein. Und was in dieser Unterhaltungswelt vorkommt und was nicht, das prägt unweigerlich unser Bild von der Welt.
So kommt Gott wie schon im Fernsehen in der gesamten Unterhaltungswelt prinzipiell nicht vor. Er spielt keine Rolle. Er bekommt keine Zeit. Er hat keinen Ort. Er selbst jedenfalls nicht. Zwar drängen sich religiöse Sendungen, religiöse Personen oder religiöse Texte ins Unterhaltungsangebot, doch das ist nicht Gott selbst, das ist noch nicht einmal Religion, das sind zumeist unverständliche Irrläufer, bei denen man früher massenweise die Toilettenspülung betätigte und heute einfach wegzappt. Gar nicht aus antireligiösem Affekt, sondern weil es irgendwie nicht passt. Für jemanden, dessen Welt vor allem die Unterhaltungswelt ist, ist die Realität von etwas, das da prinzipiell nicht vorkommen kann, nicht aus logischen, sondern aus psychologischen Gründen von vornherein unwahrscheinlich. Ein solcher Unterhaltungskonsument mag ursprünglich sogar mal religiös gewesen sein. Mit der Zeit wird er immer mehr Zweifel an der Existenz Gottes bekommen, nicht etwa durch irgendein schlagendes Argument, sondern durch die einfache Tatsache, dass Gott in seinem Leben, das ein Medienleben geworden ist, de facto einfach nicht stattfindet. Das spricht natürlich überhaupt nicht gegen die Existenz Gottes, sondern ist bloß ein psychischer Effekt, der eintritt, wenn man in einer gefälschten Welt lebt. So wie Truman Burbank niemals die Sonne selbst sehen kann, wie sie über dem Meer aufgeht, sondern bloß eine armselige Lampe als Sonnenersatz zum Zenit seiner Welt steigen sieht, wie er nie die wirklichen Sterne sieht, sondern bloß lächerliche Imitationen, und wie er nicht wirkliche Liebe erleben darf, sondern bloß Liebesgetue einer für ihre Rolle bezahlten affektierten Ehefrau, so sieht der Unterhaltungsmensch Tag für Tag eine glamouröse Plastikwelt mit elektrischer Beleuchtung und künstlichen Stars, mit gespielter Liebe und inszenierten Dramen von Gut und Böse.
Kein Wunder, dass die Bewunderung für Schauspieler inzwischen jedes Maß sprengt. Nicht wirkliche Helden und wirkliche Heilige, sondern gespielte Helden und alle Sorten von Scheinheiligen prägen die Szene, und diese durch und durch künstliche Szene ist für viele die Welt. Auf diese Weise verpassen viele Menschen das eigene unverwechselbare Leben, die existenziellen Erfahrungen, die jedem Leben seinen ganz besonderen Geschmack geben.
Doch auch hier soll nicht eifernd der radikale Ausstieg aus dieser Unterhaltungswelt propagiert werden. Man mag sich ab und zu zur Abwechslung hineinbegeben in diese Welt, doch man sollte sich genau merken, wo man da
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