BLUFF!
zum guten Vater, zur guten Mutter oder zum liebenswürdigsten Freund macht. Manchmal schweben auch Engel in den Werbespot ein, oder ein als Franziskanermönch verkleideter angemieteter Schauspieler empfiehlt statt eines tugendhaften Lebens alten Käse.
Der Traum der Werbewelt ist der ohne Unterlass konsumierende Konsument. Nun ist der Werbespotzuschauer zwischen den Werbespots bedauerlicherweise anderen Einflüssen ausgesetzt, die ihn ablenken vom erfreulichen Griff ans Portemonnaie. Punktuelle Werbespots allein reichen also nicht aus, um Tag für Tag, von morgens bis abends, eine fröhliche Konsumatmosphäre zu schaffen, die am besten geeignet wäre, sozusagen totalitär den ganzen Menschen in Kaufrausch zu versetzen. Und da ist man auf die Idee verfallen, kurzerhand eine bestimmte Jahreszeit zur totalen Konsumzeit umzubauen. Dazu hat man mal eben das christliche Weihnachtsfest kernsaniert, weil es irgendwie mit Geschenken zu tun hatte. Alle christlichen Inhalte hat man komplett entfernt und bloß noch die Fassade stehen lassen.
Ursprünglich war das Beschenken der Kinder zum christlichen Weihnachtsfest eine pädagogische Maßnahme, um den Kleinen handgreiflich klarzumachen, dass die Menschwerdung Gottes alle Menschen mit der Erlösung von Sünde und Tod beschenkt hat. Die Freude über die wunderbaren Geschenke sollte die Freude über die Wunder Gottes zum Ausdruck bringen. Dabei vergaß man nie, zu erwähnen, dass Gott besonders zu den Armen und Ausgestoßenen gekommen war, dass das Christuskind nicht in einem warmen Haus, sondern in einem armseligen Stall geboren wurde und dass schlichte Hirten und nicht schlaue Leute als Erste begriffen, um was es da ging. Der Missionar der Armut, der heilige Franz von Assisi, hatte die Weihnachtskrippe mit all ihren Figuren erfunden, damit man sich bildhaft klarmachen konnte, aus welcher Armut das Heil der Welt gekommen war. Und es wurden am christlichen Weihnachtsfest Weihnachtsgeschichten vorgelesen, die zumeist von armen Menschen handelten, die die wahre Weihnachtsfreude erlebten.
Man muss zugeben, diese christliche Weihnachtstradition war für die beabsichtigte hemmungslose Konsumorgie geradezu eine Katastrophe. Sie war nicht nur nicht gerade förderlich. Sie war im denkbar schlimmsten Sinne schädlich. Also musste man sie gnadenlos mit Stumpf und Stiel ausrotten. Das Projekt lautete: Weihnachten ohne Christentum! Das ist im Grunde so wie: Fußballspiel ohne Fußball. Auf so einen Gedanken muss man erst mal kommen! Doch es funktionierte! Als Abrissbirne fungierte der sogenannte Weihnachtsmann. Was immer es an halbheidnischen Traditionen für diese rotweißen Weihnachtstrottel gibt, zur Ruinierung der christlichen Inhalte des Weihnachtsfestes und zur Förderung des Konsumrauschs waren sie prachtvoll geeignet. Umberto Ecos Roman »Der Name der Rose« lebt von der Behauptung, dass nichts so zerstörerisch auf Religion wirke wie Lächerlichkeit. Und lächerlicher kann sich ein ausgewachsener Mann eigentlich nicht anziehen als mit dieser unsäglichen Kostümierung. Wenn diese Typen Weihnachten repräsentierten, dann hatten ernsthafte Inhalte keine Chance mehr. Da die Weihnachtsmänner zwar wie chronische Alkoholiker, aber dennoch nicht ärmlich aussahen, waren es die idealen Anreger für grenzenlosen Glühweinkonsum und reichhaltige Einkäufe.
Tiere reagieren bekanntlich auf Schlüsselreize, und da auch wir Menschen irgendwie Tiere sind, haben die Werbepsychologen dafür gesorgt, dass möglichst zeitig möglichst viele Schlüsselreize geboten werden, damit die Menschen merken, dass Weihnachten ist, und tierisch einkaufen. Längst vor dem ersten Advent werden die Straßen so ausstaffiert, als sei schon Heiligabend. Überall stehen Weihnachtsbäume herum und Lichterorgien suggerieren die Situation im Weihnachtszimmer.
Bei den Christen war das ganz anders. Da war die Adventszeit früher in jeder Hinsicht eine Fastenzeit. Man aß kärglich, und man ließ es dunkel. Nur eine Kerze brannte am ersten Advent, und die vier Kerzen kurz vor Weihnachten waren auch noch kein Lichtermeer. Man bereitete sich mit besinnlichen Geschichten, mit frommen Gebeten und anrührenden Gesängen auf das christliche Hochfest vor. Erst an Heiligabend sah man dann zum ersten Mal einen Weihnachtsbaum voller strahlender Kerzen, und darunter standen die lange entbehrten Süßigkeiten.
Diese christliche Dramaturgie bekommen selbst christliche Familien heute kaum noch hin. Denn der aggressive
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