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BLUFF!

BLUFF!

Titel: BLUFF! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Lütz
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Erkenntnisse der Experten zuweilen kabarettreif: »Um das Spiel bald zu entscheiden, müssen sie zeitig ein Tor machen.«
    Wenn sich beim Fußballfan aber irgendwann alles nur noch um das runde Leder dreht, wenn man nicht mehr humorvoll, sondern bloß noch bierernst über dieses Thema reden kann, wenn die schönste Nebensache der Welt definitiv zur Hauptsache geworden ist, dann ist auch der verwirrte Fußballfan in einer gefälschten Welt gelandet. Manche Ehe ist darüber zerbrochen, manche Karriere versandet, manche Freundschaft hat der Fußball schon ruiniert. Das ist dann nicht mehr lustig. Der Grund ist, dass die tiefsten Gefühle nicht mehr im wirklichen existenziellen Leben stattfinden, sondern in den künstlichen Schlachten auf dem grünen Feld der Ehre. Der Fan leidet höllische Qualen, wenn das entscheidende Tor eben nicht fällt, und er erlebt paradiesische Freuden, wenn der Abstieg vermieden, der Aufstieg gesichert oder gar die Meisterschaft erreicht ist.
    Zugegeben, es ist ein humaner Fortschritt, dass identitätsstiftende Gruppenrivalitäten zwischen Nationen und Städten nicht mehr militärisch ausgetragen werden, sondern auf dem Fußballfeld, so dass in der Regel keine Toten, sondern nur mitunter Verletzte zu beklagen sind. Doch für den einzelnen Fußballfan kann die Übertreibung der Begeisterung dazu führen, dass er ganz und gar in der falschen Fußballwelt lebt und dadurch in Wahrheit sein eigentliches Leben verpasst. Für ihn ist der Sinn des Lebens am Ende rund wie ein Fußball.
    Fußball wurde wie viele andere Spiele von den Engländern erfunden, und das Inselvolk neigt ohnehin dazu, aus irgendwelchen Marotten veritable Passionen zu machen, freilich nie, ohne solche höchst merkwürdigen Verhaltensweisen mit einer gehörigen Prise köstlichen britischen Humors zu würzen. Daher ist es kein Wunder, dass das so typisch britische, höchst komplizierte Cricketspiel anderen Völkern als unverständlich gilt, da denen offensichtlich die dafür erforderliche Ironie abgeht. Für echte Briten sind solche Spiele bloß müßige harmlose Lockerungsübungen für ein anstrengendes Leben. Doch andere Varianten des Homo sapiens legen bei Sport und Spiel zuweilen einen Ernst, einen Ehrgeiz, einen Erfolgsdruck an den Tag, der alles andere, was in einem Leben noch Bedeutung haben könnte, in den Schatten stellt. Nicht bloß Fußball, auch sonst keine Sportart ist vor solchen Übertreibungen sicher. Fans, die von derartigen Obsessionen erfasst werden, richten ihr ganzes Leben danach aus, sind fast nur noch an Themen rund um ihre Sportart interessiert, und die Höhepunkte eines solchen Lebens sind tatsächlich Sportevents.
    Das wirkliche, das echte Leben kann man aber auch auf andere Weise verpassen. Ein übermäßiges Interesse an Musik, an der ultimativen Band, an dem angeblich einzigartigen Megastar, an der angebeteten Filmdiva, kann, wenn es nicht mehr leicht und spielerisch daherkommt, ganz ernsthaft die Prioritäten in einem Leben dramatisch verschieben.
    Das eigene Ich, das eigene Leben existiert dann irgendwann nur noch in Abhängigkeit von diesen angehimmelten idealen Wesen, und am Ende lebt ein solcher Mensch in einer selbstgefälschten pseudoreligiösen Welt voller schillernder Devotionalien. Von seinem angebeteten Star weiß er bis ins letzte Detail alles und von sich selbst im Grunde nichts.
    Wo soll dann noch Platz sein für wirkliche Liebe zu einem wirklichen Menschen, dem man wirklich begegnet?
    c) Esoterische Plastikreligionen
    All die anderen gefälschten Welten bis hin zur Gesundheitsreligion betreffen letztlich, ob wir wollen oder nicht, uns alle. Wenn Fußball und sonstige Hobbys zur Fälschung der Welt entarten, erfasst das nur einen Teil der Menschheit und glücklicherweise bei weitem nicht alle Sport- oder Musikfans. Genauso ist es auch mit den unglaublichen Plastikreligionen, den klassischen Religionen aus dem Baumarkt, den phantastischen bunten Blüten der Esoterik.
    Die Welt ist unübersichtlich, und sie wird immer unübersichtlicher. Früher erzählten die überkommenen Religionen Geschichten von der Welt, die Orientierung boten oder, wie der berühmte Soziologe Niklas Luhmann das ausdrückte, die verwirrende Komplexität der Wirklichkeit so weit reduzierten, dass man einigermaßen den Überblick behielt und sinnvoll leben konnte.
    Doch in Mitteleuropa gibt es da neuerdings ein Problem. Hierzulande gehören das Christentum und seine Kirchen inzwischen zu den völlig unbekannten

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