Blumen für den Führer
Arzt lugte herein. »Everything okay?«
»Yes, Sir.«
»Den hab ich für heute abgewimmelt.« Er schmunzelte. »Ich denke, die werden dich erst mal in Ruhe lassen. Darfst nur nicht abhauen«, sagte er. »Bestimmt wird einer draußen lauern.«
»Thank you«, sagte Jockel mit nur schwacher Stimme. Er war schweißnass und fröstelte und fühlte sich mit einem Mal erbärmlich.
Die neue Freundin
R eni betrachtete Fräulein Dohms Gesicht. So unauffällig wie nur möglich. Während der Vater redete, entdeckte Reni zwei kleine Beben über seiner rechten Augenbraue, zu tiefe Kerben in der Oberlippe. Die Hausdame öffnete den Mund, und siehe da, ein stummer Fluch flatterte hervor.
Fräulein Dohm, der Fahrer, die beiden Gärtner, Dietrich aus dem Stall und die gesamte Küche horchten, was der Vater sagte.
» Cuncta fluunt . Alles fließt und befindet sich im Wandel«, erklärte er in feierlichem Ton. »Alles verändert sich beständig. Die wichtigste Veränderung in meinem Leben ist meine Tochter. Sie ist die Blüte meiner späten Lebenszeit. Da wir uns in Zukunft aufs Arische, aufs Nordische besinnen, von dem wir wissen, wie viel vom Südlichen, Romanischen in ihm enthalten ist, möchte ich die lateinische Urform ihres Namens wiederherstellen. Ich bitte alle, es zu respektieren. Meine Tochter heißt ab heute nicht länger Renate, sondern wird als Komtesse Renata angesprochen.« Er machte eine Wirkungspause.
Auf Fräulein Dohms Gesicht war ein matter Glanz getreten, ihr Kinn stach vor wie eine Waffe. Reni ließ sie kaum mehr aus den Augen. Natürlich war es grausam, weil die Dame merkte, dass der Blick sie traf. Reni wollte grausam sein, auch dies gehörte zu ihrer neuen Rolle.
»Ich möchte die alte Bedeutung des Namens, welche lautet: In der Taufe zu neuem Leben wiedergeboren … diesem Sinn, liebe Renata, möchte ich mit dir zu neuem Glanz verhelfen.« Der Vater blickte sie an. »Wir sind alle gewiss, dass
dein Wesen rein ist und dass dieses Geschenk auf eine Seele trifft, die es zutiefst verdient.«
Dietrich trat vor und holte hinter seinem Rücken einen großen Blumenstrauß hervor. Wunderschöne Lilien. Er machte einen tiefen Diener und Reni wurde rot. Sie sah den Vater an und nahm den Strauß entgegen, machte diesmal keinen Knicks, auch nicht versehentlich. Der Stallknecht machte einen Schritt zurück. Reni fühlte sich, als sei sie in einer einzigen Woche erwachsen geworden oder als nehme ihre Seele mehr Raum ein als zuvor.
Alles war so spannend. Die neue Zeit brach an. Tausend Jahre, dachte sie, während der Vater sprach. Er sprach vom Führer und dem Volkskörper, von dessen Gesundung und vom Wohlstand, der von nun an jedem zuteilwürde, der gutgesinnt und fleißig sei.
Schließlich erklärte der Vater die »Unterweisung« für beendet. Jeder solle an seinen Platz zurückgehen.
Im Hof wartete das Auto. Der Fahrer trug die schwarze Uniform. Reni wusste, dass alles reisefertig war, und freute sich. Dazu gehörte auch, dass man Herzklopfen bekam. Sie liebte den Geruch, der ihr entgegenschlug, wenn sie die Autotür aufmachte. Aber sie durfte es nicht selber tun, das war die Sache des Chauffeurs. »Bitte sehr, Komtesse Renata«, würde er gleich sagen. Und sie würde danken mit einem knappen Nicken. Bloß nicht zu viel. Im Umgang mit dem Personal war darauf zu achten, dass man den Blickkontakt vermied oder aufs Nötigste beschränkte. Und ja kein Händeschütteln, und wenn man Danke sagen musste, sollte es beiläufig geschehen. Reni sagte es sich immer wieder vor: Sich auf keinen Fall gemein machen mit dem Personal! Nur so stellt man klar, dass man als Mensch aufgrund der Herkunft überlegen ist.
Als eine solche Überlegene sollte sie den Vater heute nach Fulda begleiten, wo er sie anderen Überlegenen vorstellen wollte. »Keine Angst, nur ein kleiner Kreis Erlesener.« Es waren der Bürgermeister sowie der Verwaltungsdirektor des Fuldaer Krankenhauses und dessen Gattin, die beide jagdbegeistert seien – »jawohl, Damen schießen für gewöhnlich nicht«, aber von dieser Dame werde Reni lernen, dass ein Wandel möglich ist. Und was für einer! Frau Verwaltungsdirektor von Treschke habe zuvor ein sehr anderes Leben geführt, ein wirklich sehr anderes. »Die gute Lydia …« Reni hatte nachgefragt, aber der Vater hatte nur geschmunzelt und die Stirn gefaltet. Das Ganze klang geheimnisvoll und wunderbar.
Der Wagen war etwa ein Jahr alt. Er glänzte schwarz. Es war ein Mercedes 130 mit schnittiger Fronthaube,
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