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Blumen für den Führer

Titel: Blumen für den Führer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Seidel
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gesunken.
    »Ich bin gesund.«
    »Lass das mal den Arzt entscheiden, Junge«, meinte Korff. Er fühlte seine Stirn und nickte der Erzieherin zu. »Na, umso besser.«
    Fräulein Knesebeck hatte zwei Äpfel mitgebracht, und Korff versuchte, Jockel zu beruhigen.
    »Ich habe ein bisschen rumgehört, Junge«, sagte er. »Die Polizei hat erst mal mich im Auge, dann erst dich. Es soll ein Protokoll verfasst werden, in dem du das Ganze aus deiner Sicht darstellst. Ich denke nicht, dass sie dich einsperren wollen.« Er wurde leise. »Aber ich glaube, die wollen mein Motorrad. Weißt du, so ein Gespann ist eine praktische Sache. Sie wissen, wie schnell ich damit überall hinkomme, und ich kann eine Menge Waren mitnehmen und sogar Leute, wie du selbst erfahren hast. Ach, weißt du, wenn ich jünger wäre … ich würde glatt nach Spanien türmen und gegen Franco* kämpfen. Das wäre schön! Dort gibt es wahre Helden!«
    Jockel blickte ihn skeptisch an.
    Die Angst vor seinem Vater wurde durch das, was Korff gesagt hatte, nicht geringer. Vor der Polizei hatte er Schiss, weil sie ihn bestimmt sofort nach Hause bringen würden. Er hatte keine Lust, Vaters Prügel einzustecken – dem es egal sein würde, ob er, Jockel, wirklich schuld an Hannes’ Tod war oder nicht. Dem Alten ging es nur ums Schlagen!
    Immer wieder schaute er zur Saaltür, ob die hübsche Krankenschwester käme. Noch lieber wäre ihm der Arzt, der ihm den Unterricht versprochen hatte. I want to sign on. What is the ship? Was ist das für ein Schiff?

    »Der Arzt, der mich untersucht hat, will mir Amerikanisch beibringen. Wenn ich zur See fahre, brauche ich das.«
    Korff staunte. »Du hast ihm deine Pläne erzählt? Du hast ja viel Vertrauen.«
    »Er ist selbst zur See gefahren.«
    »Ja, dann«, sagte Korff und grinste flüchtig.
    Jockel biss in einen Apfel. Er fühlte sich kein bisschen fiebrig oder auch nur müde. »In ein paar Tagen haue ich hier ab.« Er bedankte sich bei beiden. Ihm war sonnenklar, dass ihre Hilfe alles andere als selbstverständlich war.
    Jetzt erst, plötzlich, holte Korffs Ironie ihn ein. »Es gibt doch schließlich Schiffsärzte. Wieso soll er mich denn anlügen?«
    »Na klar, Junge. Ich wollte auch gar nicht bezweifeln, dass er es gut mit dir meint. Sei nur einfach vorsichtig, wenn du dich auf fremde Menschen einlässt.«
    Jockel sah, dass Korff überlegte. »Sie sagen doch selbst, dass ich vor der Polizei keine Angst mehr haben muss. Was soll mir dann dieser fremde Arzt tun?«
    »Du hast ja recht«, sagte Fräulein Knesebeck. »Pass einfach auf dich auf. Heute Mittag stand der Hausmeister von Haus Ulmengrund draußen in der Hofeinfahrt. Der hält die Augen auf, und sicher nicht nur, weil es ihm Spaß macht. Wenn du also rausgehst oder abhauen willst, wie du sagst, dann sei bitte vorsichtig.«
    Jockel versprach es. Sie meinten es ja gut mit ihm. Genau betrachtet meinten es die meisten Erwachsenen gut mit ihm: der Amerikanisch sprechende Arzt, die hübsche Krankenschwester, Professor Georgii, Frau Goldschnigg – wenn er sie in Schwarzerden angetroffen hätte. Eigentlich musste er sich nur vor seinem Vater verstecken und vor Knechten wie dem toten Hannes, die einfach Streit anfingen. »Wenn ich türme,
klettere ich durch irgendein Kellerfenster, dann ist egal, wer draußen steht und spioniert.«
    Sie schwiegen. Jockel horchte auf die anderen Besucher. Einer redete so laut, dass es der ganze Saal anhören musste.
    »Wenn wir diese Woche so weitermachen, schlagen wir sie«, rief jemand quer herüber.
    »Wen?«, fragte ein anderer Besucher.
    »Die Amerikaner. Bis heute haben wir dreiundzwanzig Goldmedaillen. Heute Morgen: Tilly Fleischer, Speerwurf. War vorhin im Rundfunk.«
    »Aber dieser Glenn Morris«, warf ein anderer von gegenüber ein.
    »Nichts da: Gustav Schäfer, Alfred Schwarzmann!«
    Ein Vierter rief: »Und Anny Steuer, bitte schön, achtzig Meter Hürden!«
    »Endlich kommt mal Ordnung in den Laden!«, grölte der Erste. »Na ja, jetzt gafft die große weite Welt zu uns! Wir sind wieder wer.«
    Jockel merkte, dass Korff seine Farbe verloren hatte. Fräulein Knesebeck betrachtete verlegen ihre Hände. Er aß den Apfel zu Ende. Er dachte an die Spiele. Es ging ihm nicht in den Kopf, dass es in Berlin Räume geben sollte, in denen man die Spiele in hell flimmernden Glaskästen ansehen konnte. Er hatte nicht die geringste Vorstellung, wie so etwas gehen sollte. Es war kein Kintopp, das stand fest. Man sah dort das, was in genau

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