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Blumen für den Führer

Titel: Blumen für den Führer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Seidel
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Er ließ das Wasser über eine Hand laufen, zog sie weg, weil es nicht auszuhalten war. Er atmete den warmen Dampf, der immer höher stieg. Die Fenster wurden blind.
    Er konnte kaum erwarten, dass die Wanne voll war. Wenn sie sich daheim wuschen, hockte man in einem großen Bottich aus Holz, das angewärmte Wasser goss man sich aus einem Eimer über den Kopf. Man seifte sich ein und fror erbärmlich, bis ein zweiter Eimer Wasser Dreck und Seife auf den Bottichboden spülte, der glitschig war und einen Pelz zu haben schien.
    Als die Wanne voll gelaufen war und den Raum mit Nebel füllte, zog sich Jockel aus und hielt einen Fuß hinein. Das Wasser war so heiß, dass er sich erst gewöhnen musste. Schließlich stand er drinnen, stützte die Hände auf den Rand und ging behutsam in die Hocke, jaulte leise, als er die Knie zu forsch bewegte, schnellte wieder hoch und biss die Zähne aufeinander. »Langsam, langsam!« Er flüsterte, ließ sich dann Zoll für Zoll ins Wasser, pfiff und pustete und lachte kindlich. Er schmolz, vergaß die Welt und starrte durch den weißen Dunst aufs Fugengitter an der Kachelwand. Und schloss die Augen: Reni!
    Er lag zurückgelehnt, die Arme auf dem Badewannenrand und sah ihr Gesicht, die dunklen Augen, den ungeheuren Sog des Blicks, Schwung und Farbe ihrer Lippen, den schönen
Bogen ihrer Lider … Er hatte sie ja überhaupt nur ein paar Minuten gesehen – und dennoch war ihr Bild in ihm lebendig. Jede Einzelheit. Reni.
    Er spürte, wie die Sehnsucht immer weiter stieg. Er ließ sich bis zum Kinn in das heiße Wasser gleiten und hörte Renis weiche Stimme, als stünde sie dort drüben bei dem Fenster. Zum Fassen wahr und wirklich …
    »Junger Mann?«
    Von außen wurde die Türklinke heruntergedrückt.
    »Es ist nicht erlaubt, hier drinnen abzuschließen!«
    Es war die Krankenschwester. Jockel hatte keine Stimme, mit der er hätte antworten können.
    »Geht es dir gut da drinnen?«
    Er brachte irgendeinen Ton hervor.
    »Mach bitte die Tür wieder auf! Oder willst du, dass ich Ärger kriege?«
    »Nein«, rief er. »I am alright.«
    Es wurde wieder still. Jockel wusch sich hastig, stand aus dem Wasser auf und zog den Stöpsel. Schaute auf den Strudel, der am Schluss entstand und Schaum und Dreck mit in die Tiefe wirbeln ließ.
    Als er das Nachthemd angezogen hatte und die Tür öffnete, war die Krankenschwester verschwunden. Er hörte, wie ein Kranker nach ihr rief. Dessen Stimme kam aus einer Flügeltür, dahinter lag gewiss der Krankensaal. Noch während er es dachte, flog die Tür auf und Anneliese strahlte weiß.
    »Na, komm schon!«
    Er schlurfte zu ihr hin. Sie nahm ihm das nasse Handtuch ab und deutete ans hintere Ende. Er sah das unbenutzte Bett, das Plumeau leuchtete wie matter Schnee.
    Der Saal war riesig und hatte hohe Fenster. An die dreißig
Betten standen an den Wänden ringsumher. Von dünnen Eisengestellen hingen Vorhänge herab. Um eins der Betten war der feste Stoff ringsum zugezogen worden. Ein Mann im langen Kittel trat heraus, drehte sich um und schloss den Vorhangspalt.
    »So, hier. Deine Schuhe kannst du in den Schrank stellen«, sagte Anneliese.
    Das Bettgestell war abgenutzt. Auf den rund gebogenen Stangen war die vergilbte Farbe abgeblättert und legte kleine dunkle Inseln frei.
    Anneliese nickte zu dem verhängten Bett hinüber. »Der ist in der Nacht eingeliefert worden. Ein Unglück mit einer Lokomotive. Wir dürfen nicht zu ihm rein, so schlimm ist er zugerichtet.«
    Sie deckte auf und schaute zu, wie Jockel ins Bett kletterte. Sie kam ihm erwachsen vor. Er schämte sich, sie anzusehen, weil sie beinah so hübsch wie Reni war. Aber sie hatte einen Makel, sie zog beim Gehen das rechte Bein nach, nur wenig und es wäre ihm fast nicht aufgefallen.
    Jockel legte den Kopf aufs Kissen. Von der Decke hingen Kugellampen herab, auch hier mit alten Spinnwebfäden. Es kam ihm vor, als hätten alle Wände, Betten, Lampen – all die Dinge um ihn her – wie Schwämme die Krankheiten aufgesogen, die je in diesem Saal behandelt worden waren. Und alle Schmerzen waren auch darin verborgen. Ein Schauer fuhr ihm durch den Leib.
    »So, dann füg dich schön«, sagte die Krankenschwester und ließ das Plumeau über ihn fallen. »Ich bring dir was zu essen und zu trinken und die Medizin. Ein bisschen musst du aber warten.«

     
    Korff und die junge Frau kamen kurz nach fünf Uhr nachmittags zusammen mit anderen Besuchern in den Saal. Jockel lag gelangweilt da, das Fieber war

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