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Blumen für den Führer

Titel: Blumen für den Führer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Seidel
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freundlich. Gewiss hatte auch er die dunklen Worte nicht verstanden.
    »Nun, wie das Schicksal sich verhält«, antwortete der Bürgermeister ziemlich allgemein und eigentlich nichtssagend.
    »Aber lieber Herr Bürgermeister«, sagte Lydia von Treschke, »Sie laden dem Kind ja einen Amboss ins Herz. Nein, also bitte. Renata, ich darf doch Du sagen.« Sie fuhr fort, noch bevor Reni antworten konnte. »Mein liebes Kind, jeder hier weiß, dass eine gewaltige Aufgabe vor dir liegt. Nicht dass ich deine Pflicht schmälern möchte, lieber Ferdinand. Aber ich bin geneigt, gewisse Parallelen zu sehen zwischen deiner Tochter und Emmy Göring.«
    Alle schauten zu ihr hin.
    »Renata, gewiss erinnerst du dich an die Märchenhochzeit im vergangenen April. Jedes deutsche Mädel, nein, jede deutsche Frau hat sie mit Tränen verfolgt. Ich kenne Emmy Sonnemann noch aus der Zeit, als sie am Hamburger Thalia-Theater * ihr Stipendium erhielt und Karl Köstlin kennenlernte, ihren ersten Mann. Sie heirateten im Januar neunzehnhundertsechzehn. Die liebe Emmy war geschieden, als Göring sie erwählte. Sie ist nicht mehr die Jüngste, wie ich selbst. Sie war ein bisschen haltlos damals, dasselbe muss ich von mir sagen. Wir waren sehr jung. Die Ehen haben uns reif werden lassen. Es ist schwer, seine Freiheit zu verlieren. Aber es schult die Seele, sich einem Mann fügen zu müssen.«
    »Hast du vor, meine Tochter zu verheiraten?«, fragte der Vater amüsiert. »Wer ist denn der Glückliche?«
    Frau von Treschke lachte spitz und wurde wieder ernst.
Dann sah sie Reni an. »Wie gefällt dir das Wort ›Schicksalsüberraschung‹?«
    Reni war unsicher, wie sie reagieren sollte. »Gut«, antwortete sie leise. Sie wurde rot. Als Erstes fiel ihr dazu Jockel ein; gemeint war aber sicher die Begegnung mit dem Führer – und dass sie nun in das Leben ihres Vaters getreten war.
    Lydia von Treschke nickte dem Vater zu, als habe sich bestätigt, was sie vermutete. »Mein Bester, wenn du Erfolg haben willst, musst du sorgfältig planen. Man muss den Boden vorbereiten, wenn etwas wachsen soll. Renata, Kind, ärgere dich nicht, wenn ich in Rätseln spreche. Dein Vater versteht mich sehr genau.«
    Reni lächelte vertraulich. Es war, als ginge es um etwas, das ihr noch fehlte und das sie dringend brauchte, für Berlin vielleicht. Was, wenn sie dem Vater nach dem Essen sagen würde, dass sie etwas kaufen möchte, in der Stadt, etwas, bei dem ein Mädchen nicht gesehen werden will, das es mit seiner Mutter kaufen würde? Ein Stück Wäsche. Sie würde ja ein schönes Kleid bekommen, teure Schuhe … Sie überlegte hin und her und dachte wirklich nach, auf welche Weise sie für eine Zeit entkommen konnte, ohne dass man es ihr übel nahm. Aber sie sah schnell ein, dass es unmöglich war. Und dennoch: Jockel ging ihr nicht mehr aus dem Sinn.
    Nachdem Gänseleber und Kalbswange verspeist worden waren und man eine Weile über andere Dinge geredet hatte, sagte Frau von Treschke wieder etwas Merkwürdiges. Reni gab sich ehrlich Mühe, ihr zu folgen.
    »Emmy Göring ist ein seelenguter Mensch und nun ist sie erste Dame des Reichs. Oha! Aber deshalb war es eben richtig, dass sie ein schneeweißes Hochzeitskleid getragen hat mit einem Zweig weißer Blumen. Es gab ja Leute, die haben
die Nase gerümpft. Eine Geschiedene! Emmy nimmt sich alles so zu Herzen und ist leicht zu beeinflussen. Schauspielerin eben. Aber sie hat Ideale … Renata, hast du Ideale?«
    Reni überlegte.
    Natürlich hätte sie ihre Begeisterung für Lambarene erwähnen können und dass sie Ärztin werden wollte. Irgendetwas hielt sie ab. Am liebsten hätte sie ihr Herz ausgeschüttet und von Jockel erzählt, dass sie jetzt am liebsten fortlaufen und ihn suchen würde.
    Sie schmunzelte und hörte zu, was Lydia von Treschke schilderte: »Zum Diner im Hotel Kaiserhof waren dreihundertsechzehn Gäste geladen. Prinz Wilhelm von Preußen, der Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha, der wackere Gustaf Gründgens*. Ich könnte stundenlang klingende Namen nennen. Vielleicht wirst du einige persönlich kennenlernen in Berlin. Bei der Hochzeit bildeten dreißigtausend Soldaten ein Spalier entlang der Straßen. Die Jagdfliegerstaffel über dem Berliner Dom mit Görings Fliegerfreunden, unvergesslich. Zwei Witzbolde haben ein Storchenpärchen in die Luft geschickt. Hat man die eigentlich erwischt?«
    Niemand wusste es.
    »Ich kann dir nur den Rat geben, Renata, dich davor zu hüten, alles zu moralisieren. Es ist Mode

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