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Blumen für den Führer

Titel: Blumen für den Führer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Seidel
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ich gut verzichten.«
    »Ich weiß schon, Hamburg«, sagte Reni. Jetzt zeigte sie Gefühle, ihr Bedauern.
    Warum auch nicht? Er sollte wissen, dass sie gerne hergekommen war. Aber sie war traurig, weil es keine Hoffnung für sie beide gab. So oder so. Hamburg und Berlin, das passte nicht zusammen.
    »Ist schade«, fügte sie hinzu.
    »Was?«
    »Dass du nicht bleibst.«
    »Es geht ja nicht.« Er lächelte mit einem Mal. So süß, dass sie nicht länger sitzen bleiben konnte. »Willst du schon gehen? Du bist doch gerade erst gekommen.«
    Sie lächelte zurück. »Ich bin nervös.« Sie ging ein Stück und kam sofort zurück und schob den Stuhl ein bisschen näher zu ihm.
    »Wie bist du denn um diese Zeit hereingekommen? Die Schwestern schimpfen, wenn jemand außerhalb der Stunde reinwill.«
    Sie freute sich darauf, ihn zu verblüffen. »Ich kenne die Frau des Herrn Direktors.« Reni erklärte es. Jockel hörte staunend zu, aber sein Mund stand schief. »Du glaubst mir nicht?«, fragte sie.
    Er lachte spöttisch. Dann sagte er leise, aber ernst: »Ich hab an dich gedacht.« Er schielte zu den Nachbarn. Der eine schlief, der andere las ein Buch und schien versunken.
    »Ich habe auch an dich gedacht.«
    Sie mussten beide lachen. Reni hielt sich die Hände vors
Gesicht, nur einen Herzschlag lang. Dann strahlte sie ihn an.
    »Was ist?«, fragte er.
    »Ich bin so froh. Ich meine, dass ich hier sein kann. Es ist purer Zufall.« Sie dachte an den Vater und hoffte, dass er Verständnis für sie hätte. Doch die Vernunft ließ sich nicht täuschen: Das Seemannsleben und die väterlichen Pläne – dazwischen dehnte sich ein Ozean. Dann fiel ihr plötzlich Lambarene ein, das Wellblech und die weite Reise mit dem Schiff. Brauchte man dafür nicht auch Matrosen? Sie wollte gerade fragen, ob er nicht warten könne, bis sie den Führer für die Sache eingenommen hätte. Da klang von irgendwo derselbe spitze Ruf herüber, den sie vorhin aus ihrem Herzen hatte tönen hören.
    Sie blickte Jockel fragend an.
    »Das ist ein Schwerverletzter von der Reichsbahn. Beim Rangieren ist er unter eine Lok geraten. Man weiß nicht, ob er überleben wird. Ein Bein ist abgerissen, er wäre um ein Haar verblutet. Wenn ich bei ihm die Wörter übe, zucken seine Augenlider, und er drückt mit seiner Hand. Mehr kann er nicht, der arme Kerl. Which ship is this? When will it leave the harbour? «
    Da klang erneut der Ton herüber. Reni schaute auf den Vorhang, der sich nicht bewegte. »Dort drinnen?«
    Jockel nickte. »Jetzt ruft er mich. Aber ich kann nicht dauernd bei ihm sein.« Er flüsterte. »Ich weiß nicht, was ich machen soll.«
    Eine junge Krankenschwester trug Wäsche in den Saal. Als sie näher kam, sah Reni Jockels aufmerksamen Blick.
    »Du hast Besuch«, sagte die junge Frau, »und noch dazu um diese Zeit.« Sie blickte Reni an und lächelte. Gewinnend, umso schlimmer.

    »Guten Tag!«, sagte die Schwester und blieb beim Bettende stehen.
    Reni grüßte ebenfalls. Sie spürte einen Stich im Herzen und kam sich albern vor.
    »Sind Sie mit ihm verwandt?«, fragte die junge Frau.
    Jockel schüttelte den Kopf.
    »Dann sind Sie eine Freundin. Hören Sie, er ist uns lieb und teuer. Und er hat Heilerkräfte.« Sie zeigte auf das zugehängte Bett. »Der Patient dort stirbt, wenn Jockel uns verlässt.«
    »Unsinn. Reni, hör ihr gar nicht zu!«
    »Ich heiße Anneliese.« Sie warf Jockel einen Blick zu. »In Amerika stellt man Fremde seinen Freunden vor …«
    Reni hätte platzen können, sie wollte alleine mit ihm sein und fürchtete um das bisschen Zeit, das ihnen noch blieb. Mit gepresster Stimme sagte sie: »Schön, dass Sie ihn wieder gesund machen.« Aber sie dachte: Eine von uns beiden muss jetzt gehen! Wie kindisch!
    »Als ich klein war«, setzte sie hinzu, »wollte ich auch Krankenschwester werden.« Sie wollte böse und verletzend sein.
    »Reni wird mal Ärztin«, sagte Jockel prompt, als hätte sie den Angriff mit ihm abgesprochen. »Sie will beim Urwalddoktor Schweitzer arbeiten. Wenn ich bis dahin Seemann bin, dann kann ich sie dorthin begleiten.«
    Damit hatte Reni nicht gerechnet. Sie wurde feuerrot. »Erst mal das Abitur«, schwächte sie ab und zuckte zweifelnd mit den Schultern.
    »Besuchst du das Gymnasium? Darf ich dich duzen? Bitte!«, sagte Anneliese.
    Reni nickte. »Zwei Jahre noch.«
    »Da wäre ich auch gern hingegangen. Aber wir hatten einen Unfall. Man sieht ja, dass ich humpeln muss.«

    »Kaum«, sagte Jockel ritterlich und

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