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Blumen für den Führer

Titel: Blumen für den Führer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Seidel
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vorbei ist. Wo man geht und steht, begegnen einem Turbane, Chinesen und Neger. Ich werde erst wieder ruhig schlafen, wenn Frau Riefenstahl* ihren scheußlichen Film endlich zusammengeklebt
haben wird und wir uns diesen sportlichen Weltwirbel als vergangen und erledigt anschauen können.«
    Reni prüfte mit einem Blick, ob der Vater die kesse Lüge mit dem Ozelot mittrug. Er hatte sein Besteck beiseitegelegt; ihm war nichts anzumerken. Sie sagte leise: »Der Führer muss von dem Ozelot ja nichts erfahren.«
    »Donnerwetter, Ferdinand. Da ist Ihnen eine verdammt gescheite Tochter vom Himmel in den Schoß gefallen. Renate wird es noch weit bringen.«
    Der Vater nickte.
    »Mein liebes Kind«, sagte die Gräfin milder. »Der Führer wird in zwei Wochen hier im Hotel mein Gast sein. Ich habe eine Anzahl Freunde eingeladen, die Liste ist keineswegs vollständig. Du bist eingeladen und wirst, wenn du möchtest, dem Führer ein zweites Mal persönlich begegnen. Es ist eine zwanglose Zusammenkunft und du musst dich überhaupt nicht fürchten.« Sie sah den Vater an. »Ferdinand, darf ich mit Ihnen rechnen?«
    Der Vater sagte Ja, und Reni hörte, wie die Gräfin ihren Nachbarn ansah und leise sagte: »Einen Ozelot! Ich frage mich, was Rüdiger Storck sagt, wenn ich es ihm erzähle.« Sie schenkte Reni ein Lächeln. Und Reni fühlte sich wie eine Siegerin.

Berlin ist nur der Anfang
    M ehr noch als ihre eigene Aufgeregtheit spürte Reni am Morgen die Nervosität des Vaters. Schon beim Frühstück erzählte er Details über die Sommerspiele. Dass eine Fackel von Sportlern aus allen teilnehmenden Ländern der Welt vom griechischen Olympia aus bis hierher nach Berlin getragen worden sei. Entzündet mit einem von der Firma Zeiss entwickelten Sonnenspiegel. Tja, darin seien die Deutschen nun mal groß. Und später würden zwanzigtausend Tauben freigelassen, aus dem Stadion in die Lüfte. Reni solle einmal raten, wie viele Fackelträger die Strecke bis nach Deutschland und ins Olympiastadion zurückgelegt hätten – dreitausendfünfundsiebzig Läufer seien es gewesen. Unvorstellbar, oder?
    Die Autodroschke brachte sie bis vor den Presse- und Staatseingang am Stadion. Sie trug an diesem Morgen das besonders hübsche weiße Kleid mit der grünen Schürze. Es hatte über hundert kleine blaue Schleifen und sein Stoff fühlte sich wie Seide an. Jeder, der sie sah, schien wie vom Blitz getroffen und klebte gleichsam mit den Augen an ihr fest. Sie wollte es ertragen lernen und blickte stolz zurück, so gut sie es vermochte, ohne rot zu werden.
    Alles vor dem Stadion war sehr groß, sehr laut, eng, wimmelnd und bunt. Berlin, die Weltstadt, lag in einem grenzenlosen Fahnenmeer. Reni hatte noch nie in ihrem Leben so viele Menschen auf einmal gesehen, sie hatte auch noch nie ein solch großes Gebäude wie das Stadion betreten. Ihre Erinnerungen an Berlin halfen nicht. Tante Magda war nur selten
mit ihr in die Innenstadt gefahren, dorthin, wo viele Menschen waren.
    Reni hatte auch noch nie so viele Fahnen und Plakate gesehen, so viel Schmuck und kräftige Farben, wohin man schaute. Wie benommen folgte sie dem Vater zu einem Tor, vor dem Wachsoldaten standen. Der Vater zeigte Papiere her, man wurde eingelassen, und sie betraten einen großen, leicht gekrümmten Raum, an dessen Ende eine breite Treppe in ein höheres Stockwerk führte.
    Oben kamen sie vor eine geschlossene Glastür, durch die der Blick über einen großen Balkon in das Innere des Stadions fiel. Reni schlug das Herz so heftig, dass sie einen Moment stehen bleiben musste. Die Tür wurde aufgezogen und sie betraten den Balkon. Hier herrschte dichtes Gedrängel, zumeist waren es Offiziere, die in Gruppen standen. An einer Seite hatte man eine große Filmkamera aufgebaut, an der ein Mann hantierte.
    Zwischen den Schirmmützen der Uniformierten sah Reni plötzlich etwas, das sie einen Herzschlag lang so verblüffte, dass sie Angst bekam. Der Blick reichte quer über die riesige Arena bis vor die gegenüberliegende Tribüne. Die Zuschauer waren so zahlreich und winzig, dass sie zu einer flirrenden Fläche verschmolzen, ein wirres buntes Muster, eine Wand aus Menschen.
    Reni wollte den Vater darauf aufmerksam machen, drehte sich zur Seite, sah ihn aber nirgends mehr. Jetzt sprang die Angst bis in den Hals, der Atem stockte ihr.
    Aus einer der Gruppen trat ein Offizier auf sie zu, schlug die Hacken zusammen und sagte: »Sie müssen die Komtesse sein, die unserem Führer die Blumen

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