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Blumen für den Führer

Titel: Blumen für den Führer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Seidel
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aber ich hab dafür’ne Nase. Ich sag ihm, er soll sich doch bloß mal ansehen, was jetzt in Berlin los ist, die Olympischen Spiele, da guckt die ganze Welt zu und staunt, wie sich das Reich herausgeputzt hat. Das ist doch was, das kann doch niemand abstreiten. Korff kann es aber, er ist ein Miesepeter. Ich kann ihn nicht ausstehen, ich hasse ihn.«
    »Oh«, machte Waltraut.
    »Sie kennen ihn bestimmt besser als ich, junge Frau. Bringt er nicht das Brot zu Ihnen nach Ulmengrund? Und andere Sachen?«
    »Ich kenn ihn nicht gut, das sagte ich schon.«
    »Aber er hat Sie hergeschickt.«
    »Weil ich eine andere Arbeitsstelle antrete und nicht länger in Ulmengrund wohnen werde.« Waltraut sah die Frau an, sie war bereit, sich weiter zu verteidigen.
    »Bestimmt sind Sie im Streit auseinandergegangen: Ihr bisheriger Arbeitgeber und Sie«, sagte die Wirtin.

    »Wie kommen Sie darauf?« Waltraut musste an sich halten, nahm Brot und Messer zur Hand und hob den Porzellandeckel der Margarineschale hoch.
    »Man wohnt nicht in einer Pension, bloß weil man die Stelle wechselt.«
    »Wenn es sich um zwei Mädchenpensionate handelt, schon. Ich habe keine Wohnung.«
    »Ach, kommen Sie!« Die Wirtin lachte. Sie legte beide Hände auf die Wäsche. »Ich habe gehört, wie Korff zu meinem Mann gesagt hat, dass es ein Notfall ist. Ein Notfall, bitte sehr!«
    Waltraut wurde rot. Vor Scham und vor Wut. »Ich bin der Meinung, dass Sie diese Dinge eigentlich nichts angehen«, konterte sie. »Ich bezahle mein Zimmer und wir kennen uns doch gar nicht.«
    »Na bitte! Diese Dinge!«, rief die Wirtin.
    Waltraut sah sie fragend an.
    »Mir machen Sie nichts vor, Fräulein Knesebeck: Sie sind dort rausgeflogen.« Die Frau drehte sich herum, nahm das nächste Wäschestück und schlug es lose in die Luft, um es zu glätten. Ein Kissenbezug mit ausgewaschenen rosafarbenen Rosenblüten. »Ich habe ein Gespür dafür.«
    »Für was?«
    »Wenn was im Busch ist.«
    Im Flur wurde die Haustür aufgeschlossen. Es war der Ehemann, der Wirt. Er betrat grußlos die Küche und zog seinen Mantel aus. Seine Augen waren freundlich, er hatte dicht gewelltes, dunkles Haar und eine große Narbe auf der Stirn. Er hängte seinen Mantel in den Flur und kam zurück.
    »Haben Sie gut geschlafen?« Er setzte sich zu Waltraut an den Tisch. Seine Frau stellte ihm einen sauberen Teller hin
und eine Tasse. »Ich weiß«, fuhr er fort, »die Kammer ist zum Leben zu klein und für den Tod zu groß, ein Hundehäuschen. Aber billig.«
    Waltraut trank Kaffee. »Es geht schon. Ich bleibe nur zwei oder drei Nächte.«
    »Die junge Dame ist Erzieherin«, sagte die Wirtin kess und schnalzte. »Die haben sie in Ulmengrund rausgeworfen. Ich hab’s mir schon gedacht. Und dein Freund Korff mal wieder mittenmang!«
    »Das Beste ist, Sie hören gar nicht zu«, sagte der Mann.
    Die Wirtin quengelte. »Es wird noch kommen, dass wir alle im Gefängnis sitzen.« Sie goss ihm Kaffee ein und legte eine Brotscheibe auf seinen Teller.
    »Korff ist in Ordnung.« Er blickte Waltraut an. »Er bittet mich um einen Gefallen und ich tue ihm den Gefallen. Das würde jeder tun.«
    »Das würde überhaupt nicht jeder tun!«, rief seine Frau dazwischen. »Man kann heute niemandem mehr trauen. Schon gar nicht einem, der dauernd gegen Berlin wettert, wissen Sie?«
    Waltraut zeigte lieber keine Reaktion.
    »Sie sollten diese beiden Herren mal hören, wenn sie hier abends zusammenhocken und Bier saufen. Da kann einem schlecht werden. Als ob in einer Pension nicht sämtliche Wände Ohren hätten. Das ist doch purer Leichtsinn.«
    »Beschwer dich doch bei Korff. Der kommt nachher«, sagte der Mann.
    »Ich will nicht, dass er herkommt.«
    »Denkst du, wir lassen uns von dir Vorschriften machen?« Er aß schmatzend sein Brot. »Wissen Sie, was ich glaube, Fräulein Knesebeck? Dass Menschen wie meine Frau diejenigen sind,
die uns wirklich Probleme bereiten werden mit ihrem Misstrauen und ihren Verdächtigungen und mit ihrer Neugier und schlechten Laune. Zum Glück hört sie wieder auf damit.«
    Die Wirtin schnaubte wütend.
    Der Mann fuhr fort: »Sie haben Korff ja kennengelernt. Er hilft diesem Jungen aus der Patsche, den alle in der Gegend suchen.«
    »Dem Mörderjungen!«
    »Meine Frau glaubt auch, dass die Mädel in Ihrem Pensionat keine Erziehung haben.«
    »Es ist nicht ihr Pensionat. Sie ist dort rausgeflogen und es wird Gründe geben.«
    »Ich entschuldige mich für meine Frau, Fräulein Knesebeck.«
    Waltraut

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