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Blumen für den Führer

Titel: Blumen für den Führer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Seidel
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zumindest schön. Es war ihr aufgefallen, wie viele Blicke auf sie fielen. Besonders viele Herren schauten zu ihr her. Es machte sie nervös, sie blickte lieber weg, obwohl sie wusste, dass auch dies ein Teil des neuen Lebens war und der Veränderungen. Nur dass alles viel zu rasch ging, bereitete ihr Kummer. Sie hätte lieber etwas Zeit gehabt.
    Und dennoch: Sie würde werden, wie der Vater war, das stand nun fest. Auch wenn ihr die merkwürdige Auseinandersetzung zwischen ihm und der Gräfin nicht gefiel. Sie war gewiss notwendig, und es war nicht ihre Aufgabe, zu verstehen, worin die Uneinigkeit bestand. Es tat ihr leid um Ulmengrund und die Freundinnen, die von einer Schließung des Hauses betroffen sein würden. Aber der Vater würde für eine neue Unterbringung sorgen, daran zweifelte sie nicht, und vielleicht würde ein neues Zuhause für Friederike und die anderen Mädel viel schöner sein als Ulmengrund.
    »Auf dem Weg nach Berlin habe ich Frau Doktor Miegel in mein Abteil eingeladen«, erzählte der Vater. »Ich finde sie ganz unterhaltsam.«
    Viktoria von Dirksen verzog sofort die dünnen Lippen. »Bleiben Sie mir bitte mit dieser Person vom Leibe, Ferdinand. Sie hatte den Nerv, mir über den Mund zu fahren in einer Weise, die ich ihr leider nicht verzeihen kann.«
    »Der Führer verehrt sie«, warf eine Dame ein.

    »Leider«, entgegnete die Gräfin. »Ich sage ehrlich, dass ich keine Freude daran habe. Ich weiß nicht, was er an ihr findet. Das Geschnatter dieser Dame hat nicht das geringste Niveau. Diese Geheimniskrämerei um ihren Dichterkult und dann ihre sonderbaren Zustände, bei denen sie ums Haar die Besinnung verliert, wenn die Muse in sie fährt! Das ist doch unerträglich.«
    Der Vater hatte an Farbe verloren und starrte auf seinen Teller.
    »Sagen Sie bitte nicht, Sie haben sie hierher eingeladen, Ferdinand!«
    »Nein.«
    »Das fehlte mir noch, dass diese Dame in der Tür steht und wieder ihre Arme ausbreitet, um mich an ihre Brust zu pressen. Wie ein Krake. Nein, danke. Und dieser östliche Junker-Jargon. Se jlauben nich, was mir passiert is! «
    Der ganze Tisch brach in verhaltenes Gelächter aus.
    Der Vater schwieg betreten. Er tat Reni leid. Aber sie wusste nicht, wie sie ihm beistehen sollte. Das alles schien undurchsichtig, sogar bedrohlich. Sie würde vieles lernen müssen; zum Beispiel wahrzunehmen, wer und was bedeutsam ist.
    »Verzeihen Sie mir, mein Lieber«, sagte die Gräfin hart. »Ich wollte nicht Ihre Gefühle verletzen. Ich habe eine der Miegel-Balladen gelesen und gebe zu, dass sie Reiz hat und Kraft. Wäre ich nicht, die ich bin, hätte sie mich zu Tränen gerührt.«
    Der Vater aß. Er fühlte sich gekränkt, Reni spürte es.
    Sie selbst aß voller Dankbarkeit und mit großem Appetit das teure Fleisch und hörte den Gästen weiter zu, so wie der Vater, der trotz allem freundlich blieb und sich nichts anmerken
ließ. Geduld lautete das oberste Gebot. Sie musste lernen, ihre Gefühle zu kontrollieren, zu lächeln, wenn es an der Zeit war. Alle Gäste beherrschten es perfekt. Sie würde die Gräfin, wenn erforderlich, mit ihren eigenen Waffen schlagen: mit Selbstsicherheit und Ironie. Reni nahm sich vor, erwachsen zu sein, und wenn sie es nicht schaffte, erwachsen zu spielen. Sie musste das behütete Pensionatskind hinter sich lassen. Morgen früh würde sie den Führer treffen und ihm einen Blumenstrauß überreichen. Sie verbot es sich, in jenem Augenblick ein Kind zu sein. Es musste ihr gelingen, die Rolle reif und klar zu spielen, die Nerven zu behalten – sich zu fühlen, als streichle sie einen Leoparden, so wie andere ihre Katze streicheln.
    »Und du wirst also morgen Vormittag unserem Führer ein Bouquet von Blumen bringen«, sagte Viktoria von Dirksen. Alle Augen folgten ihr. Reni wurde rot. Die Gräfin lächelte. »Er schaut gerne ein so wunderschönes Mädel an.« Ihr Blick wanderte zum Vater. »Das haben Sie gut eingefädelt, Ferdinand. Sie werden sich unsterblich machen.«
    »Wenn ich es gut mache«, sagte Reni und fühlte ihr Herz klopfen, »dann bekomme ich von meinem Vater einen Ozelot geschenkt, einen lebendigen natürlich, aus Mittelamerika. Den werde ich erziehen.«
    »So, so. Leoparden und Ozelote«, entgegnete die Gräfin. »Hast du keine Bedenken, dass der Führer es missbilligen könnte? Er mag das Exotische nicht sehr. Ich weiß, dass ihm der ganze olympische Krawall auf die Nerven geht. Mir raubt er auch den letzten Nerv, ich bin froh, wenn es endlich

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