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Blumen für den Führer

Titel: Blumen für den Führer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Seidel
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Brauen.
    »Und nun möchten Sie, dass ich das Kind in meine Sammlung von Mädchenblüten aufnehme, sehe ich das richtig?«
    »Wenn Sie es gestatten«, antwortete der Vater. »Ich sehe, dass Sie sich bereits in sie vernarrt haben.«
    Die Dame lächelte nur mit dem Mund, dessen Lippen schmal und purpurrot geschminkt waren. Reni wusste nicht recht, wohin mit ihren Händen.
    »Bitte, setzt euch beide zu uns. Ich empfehle den Tafelspitz.« Sie gab einem der wartenden Kellner ein Zeichen, der sofort hereilte. Ohne den Vater oder Reni zu fragen, gab sie die Bestellung auf. »Rüdiger Storck fragte vergangene Woche nach Ihnen, Ferdinand«, fuhr sie fort. »Sie hätten ihn um eine Unterredung mit Chefadjutant Schaub* gebeten, und nachdem er es eingefädelt hätte, seien Sie nicht mehr zu erreichen gewesen. Der junge Storck besitzt jetzt übrigens eine
Raubkatze, einen Leoparden. Ich habe das Tier gesehen und bin vor Ehrfurcht fast gestorben. Hübsch ist das Vieh. Dieser Schwerenöter Rüdiger wollte mir partout nicht sagen, woher er ihn hat. Ein junges Tier, aber keineswegs ungefährlich. Man muss es erziehen, wenn es sich erziehen lässt. Der Umgang mit Menschen ist einfacher.« Sie streifte Reni mit einem Blick.
    »Das mit Julius Schaub ist längst erledigt«, bemerkte der Vater.
    »Das glaube ich nicht ganz«, erwiderte die Dame. »Sie kennen Julius Schaub und seine Stellung, seine Nähe zum Führer.«
    Der Vater ging nicht darauf ein und hörte eine Weile den anderen Gästen am Tisch zu.
    Reni fühlte sich überwältigt. Es war dies alles so fremd und neu, anders und unverständlich, dass sie kein Wort hervorbringen würde, wenn jetzt jemand etwas fragte.
    Mitten in die Unterhaltung der anderen hinein sagte der Vater plötzlich: »Einen echten Leoparden?«
    Frau von Dirksen spitzte den Mund. »Er ist jedenfalls nicht ausgestopft. Ich glaube, Storck ist ein heimlicher Angsthase, der braucht so ein Tier an seiner Seite. Der Führer weiß noch nichts davon, aber ich höre schon, was er sagen wird.« Sie zögerte. Alle sahen sie an, und sie genoss es, der Mittelpunkt zu sein.
    »Ich höre ihn schon brüllen, und zu Recht: Storck, was ist das für ein Unfug! Waren Sie bei den Negern im Urwald? Ich wünsche nicht, dass das Reich in der Welt mit Idioten in Verbindung gebracht wird, die unfähig sind, Freude an einem ehrlichen deutschen Schäferhund zu empfinden. Verdammt noch mal! «

    Einige der Gäste waren amüsiert. Die Gräfin hatte sich bemüht, ihre Stimme ein bisschen schneidig wie die des Führers klingen zu lassen. Reni wurde immer unsicherer, was sie denken sollte.
    »Aber der Führer kennt Storck gut genug«, sagte der Vater, und andere pflichteten ihm bei.
    Eine Dame, die ihnen gegenüber saß, rief: »Eine Großkatze, dass ich nicht lache!«
    »Da fällt mir wieder ein, mein Lieber«, sagte die Gräfin, »was ich vorhin in Sachen Schaub noch sagen wollte: Ich habe mit ihm telefoniert. Er war in der Präsidialkanzlei und offenbar erfolgreich. Sie werden sich von diesem Schatzkästchen in der Rhön trennen müssen, Ferdinand, ob Sie wollen oder nicht. Er will ein Jagdschloss daraus machen oder etwas Schlimmeres. Schlucken Sie die böse Kröte, und kümmern Sie sich rechtzeitig darum, wo Sie die armen Mädel vorläufig unterbringen lassen.«
    Der Vater sah Reni an. Sein Blick sagte ihr, dass von Ulmengrund die Rede war.
    »Das Haus ist verpachtet, Viktoria. Es gibt jahrzehntealte Verträge. Sie wissen genauso gut wie ich, dass man so etwas nicht von heute auf morgen aus den Angeln heben kann.«
    »Julius Schaub kann das sehr wohl«, antwortete die Gräfin kühl. »Man könnte glauben, Sie beriefen sich auf bürgerlich verbriefte Rechte. Mein Gott, er ist der Stärkere, verstehen Sie? Ferdinand, Sie sind doch ein vernünftiger Mann!«
    Reni spürte die Spannung zwischen beiden. Das Wort »Mädchenblüte« fiel ihr wieder ein. Die Kellner servierten den Tafelspitz. Das Fleisch war schmackhaft und wirklich butterzart. Reni blickte um sich. Das Restaurant war beinah voll besetzt. Sie hatte wieder das Gefühl, sich in einer Sphäre
von besonderer Bedeutung zu bewegen, auch in einem Klima des Rätselhaften. Die Kellner bedienten sie mit einer solchen Vorsicht und Höflichkeit, dass ihr fast schwindlig wurde. Gewiss war es dringend nötig, dass sie diese Rolle erlernen musste, wenn sie dem Führer angemessen gegenübertreten wollte. Man brauchte selbst Persönlichkeit und musste jemand Besonderes sein. Sie, Reni, war

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