Blumen fuer die Toten - Ein Fall fuer Commissario Mariani
stehe auf, und sie ebenfalls.
»Ich bin todmüde. Aber ich weiß nicht, ob ich schlafen kann.«
Doch am Ende bin ich es, der eine schlaflose Nacht verbringt, und als ich aufstehe, liegt sie noch immer auf dem Bauch in unserem Bett und atmet leise. Ich ziehe mich lautlos an, hinterlasse ihr eine Nachricht und verlasse die Wohnung.
Der Corso Gastaldi liegt noch fast im Dunkeln, doch oben der Himmel ist hoch und blau. Weiter hinten steht über den Dächern der Innenstadt, hinter den Silhouetten der Wolkenkratzer von Corte Lambruschini, voll und leuchtend der Mond.
Auch Anselmi beginnt zu strahlen, als ich ihm von den Antihistaminika erzähle, und er platzt gleich heraus: »Ihre Frau, Commissario, ist ja auch eine außergewöhnliche Frau.« Als ich ihm von der Bäckerei erzähle, ist er besorgt.
»Sie sollte am Vormittag vorbeikommen, Anselmi, um sich das Phantombild und die Verbrecherkartei anzuschauen. Mir wäre es am liebsten, wenn Sie sich persönlich darum kümmerten.«
»Ja, natürlich.« Eine Pause. »Bevor Sie gekommen sind, hat Ihre Mutter angerufen. Sie hat gesagt, es sei wichtig, doch sie wollte nicht bei Ihnen zu Hause anrufen, weil es beruflich sei. Sie hat die Bitte hinterlassen, dass Sie sie zurückrufen. Es sei aber nicht dringend.« Typisch für meine Mutter, auf diese Art sagt sie einem, dass man sich beeilen soll, doch Anselmi, der sie ja nicht kennt, hat es wörtlich genommen.
Sie nimmt beim zweiten Läuten ab. »Ciao, Nino. Ich wollte dich nicht erschrecken. Manu geht es gut.«
Ich atme wieder.
»Gestern Abend ist meine Freundin gekommen. Erinnerst du dich an Enrica?« Ja, natürlich erinnere ich mich an sie. Wer sie einmal kennen lernt, vergisst sie nie wieder. Die einzige Frau, die meine Mutter, was Charakterstärke angeht, noch übertrumpft. Seit zwanzig Jahren spielen die beiden miteinander Canasta. Ich sehe aber nicht, was sie mit der ganzen Sache zu tun hat. »Ich habe mit ihr über den Fall gesprochen, den du bearbeitest …« Wahrscheinlich weiß jetzt die ganze Stadt über diesen Fall Bescheid und arbeitet an dessen Lösung mit, vielleicht sogar auch die Mörderin. »Du weißt ja, dass ich vor Enrica keine Geheimnisse habe und dass sie sehr diskret ist. Und während ich ihr noch erzähle und ihr gerade das Gefühl beschreibe, das ich hatte, als ich das Phantombild gesehen habe, da fällt mir ein, wo und wann ich ihr begegnet bin.«
Ich stelle auf Mithören, und Anselmi greift nach seinem Notizbuch.
»Ich hatte Recht mit dem Gefühl, sie mit der Lotti zusammen gesehen zu haben. Im Krankenhaus vor vielleicht zwei oder drei Jahren. Sie lagen im selben Zimmer. Aber zu welcher Zeit genau, kann ich nicht sagen.«
»Welche Station?«
»Ganz sicher Orthopädie, 3. Stock, Ostflügel.«
»Sicher?«
»Ich bin seit Jahren ehrenamtlich bei der AVO tätig. Sie behaupten, ich sei eine, die auf die Orthopädie gehört. Ich erinnere mich, dass die Lotti und die Frau, die wir suchen, für eine kurze Weile Bettnachbarinnen waren. Das sind dort alles Vierbettzimmer, außer einigen kleineren für die schlimmeren Fälle. Doch es lagen auch noch andere bei den beiden im Zimmer.«
»Bist du wirklich ganz sicher?«
»Die Lotti hat immer nur verlangt, dass die Jalousien so zu- oder aufgezogen wurden, wie sie es wollte, und sie hat andauernd mit den anderen beiden gestritten. Die Dritte habe ich nur deswegen bemerkt, weil sie immer so still war. Als wäre ihr alles egal. Das Einzige, worum sie gebeten hat, war, ob ich ihr nicht einen Lippenstift kaufen könne. Sie hat mir den leeren Stift gegeben und auch das Geld für einen neuen. Obwohl ich das gar nicht wollte. Es sollte ein Lippenstift in genau derselben Farbe sein.«
»Erinnerst du dich noch, warum sie im Krankenhaus lag?«
»Sie durfte nicht aufstehen. Die Station ist auf Knieprobleme spezialisiert, doch sie nehmen auch andere Fälle. Die Lotti hatte sich verletzt, als sie auf dem schlecht befestigten Läufer im Treppenhaus ihres Hauses ausgerutscht ist.« Ja, ich erinnere mich, dass die Tochter mir von diesem Unfall erzählt hat. »Seit gestern Abend grüble ich darüber nach, aber mehr fällt mir nicht ein. Tut mir leid.«
»Du warst ganz prima, Ma.« Anselmi pflichtet mit raumgreifenden Gesten bei. »Das meint auch mein Kollege Anselmi.«
»Hat er alles gehört, was ich gesagt habe?«
»Natürlich. Du hast mir ja nichts Persönliches erzählt.«
»Du hättest es mir trotzdem sagen können. Ich habe das Recht, das zu wissen - beim
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