Blumen fuer die Toten - Ein Fall fuer Commissario Mariani
vervollständigt automatisch: »… und sind tot. Ich war auf dem Feld und sammelte Ähren. Ja, auch ich habe in der Schule diesen Horror lernen müssen.« Ich hoffe, dass sie weiterspricht, doch vergeblich.
Der Gedanke an Ninì ist immer noch da.
Und als ob Fran meine Gedanken lesen könne, fragt sie: »Was ist los?«
»Nichts.«
»Du siehst nicht aus, als wäre nichts.«
»Der Fall, es ist einfach ein schlimmer Fall.«
»In deinen Albträumen hast du manchmal den Namen Ninì geschrien, jetzt ist Margot dazugekommen.«
Ich schweige.
»Wer ist Ninì?«
»Andreina Vivaldi.« Ich weiß, dass sie kein drittes Mal fragen wird. Doch sie würde es herausfinden, und dann würde sie mir nie verzeihen, dass ich es ihr nicht selbst gesagt habe.
»Und du träumst immer noch von einem Fall, von einem gelösten Fall, jetzt noch, nach Jahren? Und von dem Namen, den sie als Prostituierte benutzte?« Sie wartet.
Ich weiß, dass sie nicht weiter in mich dringen wird. Doch ich weiß auch, dass, wenn ich jetzt nicht weiterrede, alles aus ist. »Ich habe sie als Ninì kennen gelernt.« Mehr brauche ich nicht zu sagen.
Schweigen.
Ich brauche ja nicht unbedingt in die Einzelheiten gehen. »Ich habe sie an einem Abend in einer Bar kennen gelernt. Wir sind dann bei ihr gelandet.«
Keine Frage. Ich kann selbst entscheiden, wann ich aufhöre.
»Ich bin noch drei oder vier Mal zu ihr gegangen. Etwa drei Monate bevor man uns gerufen hat, weil man sie gefunden hat. Sie wurde mit einem Kissen erstickt.«
Fran hat sich eine Zigarette genommen und sie angezündet. Sie hat tatsächlich mit dem Rauchen angefangen, jetzt kauft sie sich sogar welche.
»Alle haben gedacht, dass es ein Kunde war, der sie zum Schweigen bringen wollte. Vielleicht wegen eines Erpressungsversuchs.« Ich hätte auch gerne eine Zigarette. Oder eine Geste oder ein Wort. Nicht diese stumme Mauer. Oder eine Frau, die mir wenigstens eine Szene macht. »Ich hatte Angst. Angst, dass der Fall sich länger hinziehen würde, dass mein Name genannt werden würde. Ob das nur zufällig nicht herauskam oder ob ich wollte, dass die Zeitungen Bewegung in die Sache brachten: Ich weiß es nicht.«
»Ist das alles?«
»Das ist alles.«
Schweigen. Dann sagt sie: »Ich bin müde.«
Ich in unser Schlafzimmer, sie ins Gästezimmer. Es ist schon viel, dass sie mich nicht aus der Wohnung wirft oder mich verlässt und Manu mitnimmt.
Ich gehe ins Bett. Starre ins Dunkel. Dora Margaritas Schmerz brennt unter meinen Lidern, vermischt sich mit meinem und wird zu Gift.
Die leichten Schritte einer jungen und barfüßigen Frau. Ihr Atem. Laken und Bettdecke werden leise angehoben, ihr Körper schlüpft neben meinen.
Ich bewege mich nicht.
»Ich habe Angst.«
Ich schweige.
»Sie hat deinetwegen zu sehr gelitten.«
Ich rücke einen Millimeter näher.
»Nein. Fass mich nicht an.«
»Fran, ich …« Was könnte ich ihr sagen?
»Schlaf jetzt.« Eine Pause. »Morgen wird kein leichter Tag. Wir müssen Manu beschützen.«
Und ich schlafe ein. Schlafe lange, traumlos, albtraumlos.
Als ich aufwache, schläft Francesca noch. Ich stelle den Wecker aus. Es ist Samstag, Manu geht ja ganztags zur Schule und hat daher samstags frei.
Ich könnte mir eigentlich auch einen Tag Pause gönnen, denn seit diese Geschichte angefangen hat, habe ich ununterbrochen gearbeitet.
Kompromiss: Ich arbeite am Vormittag und bin nachmittags zu Hause.
Wenn es regnet, spiele ich mit Manu, andernfalls setze ich mich vor den Fernseher, während sie im Park sind.
Beim Kaffeekochen in der Küche versuche ich, möglichst leise zu sein.
Während ich warte, dass der Kaffee durchläuft, höre ich ein leises Tapsen - es gleicht dem ihrer Mutter, nur leichter.
Blaue Schlafanzughose, weißes Oberteil mit blauem Aufdruck. Die Tasche des Schlafanzugs ist so prall gefüllt, dass sie zu platzen scheint. Mit Sicherheit Legosteine. Andere Mädchen schlafen mit ihren Puppen oder ihren Teddys, Manu mit Legosteinen.
»Du bist nie zu Hause«, sagt sie und schaut zu mir hoch. Genau wie ihre Mutter hält sie nicht viel von Drumherumgerede und kommt immer gleich zur Sache.
Ich nehme sie auf den Arm: »Ab jetzt bin ich ganz viel zu Hause.«
»Der Kran, ich habe dir einen Kran gebaut.«
»Hast du Hunger?« Ich bin normalerweise nicht auf den Mund gefallen, aber bei meiner Tochter kommt es vor, dass ich nicht weiß, was ich sagen soll. Vielleicht weil ich nicht viel Umgang mit Kindern habe. Ich lebe in einer schiefen,
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