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Blumen fuer Polt

Blumen fuer Polt

Titel: Blumen fuer Polt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
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da ist es schon.“ Triumphierend hielt sie Polt ein
kleines Foto hin. „Ich habe einfach darauf vergessen, Ihnen davon zu erzählen.
Aber es läßt eben schon gewaltig nach, da oben.“ Sie tippte an die Stirn. „Das
Bild ist in den Windeln vom Willi gesteckt, als ich ihn gefunden habe. Komisch,
nicht wahr?“
    Polt nahm das Foto in die Hand. Es war stark
verblichen und abgeschabt. Doch er konnte den Kopf eines jungen Mannes
erkennen. Ein akkurater Mittelscheitel durchzog das helle Haar, und das Gesicht
zeigte einen ernsten, entschlossenen Ausdruck. Vergeblich versuchte Polt den
völlig verwischten Stempelabdruck auf der Rückseite des Fotos zu entziffern.
    Frau Raab rückte mit ihrem Sessel dicht an ihn
heran. „Als der Willi dann älter war und mich so halbwegs verstanden hat, habe
ich ihm das Foto gegeben und dazu gesagt, daß es seinen Vater zeigt. Ob er es
nun war oder nicht. Willi, habe ich oft erzählt, eines Tages kommt dein Vater
und holt dich mit einem großen weißen Auto ab. Er ist nämlich ungeheuer reich
und sehr traurig, daß er dich verloren hat. Überall sucht er dich auf der
Welt. Na, so ganz wird der Willi die Geschichte nicht begriffen haben. Jedenfalls
hat er das Bild von da an immer bei sich getragen, es war sein größter Schatz.
Darum kann man auch fast nichts mehr sehen darauf.“
    „Haben Sie das Foto damals, als es noch neu war, genauer
angeschaut, Frau Raab?“
    „Und ob ich das genau angeschaut habe! So ein schneidiger
Kerl, und läßt die Mutter von seinem Kind im Stich! Aber es kann natürlich auch
anders sein. Vielleicht ist er im Krieg gefallen, und die junge Frau hat sich
nicht mehr zu helfen gewußt.“
    „Und das Gesicht ist Ihnen nicht irgendwie bekannt
vorgekommen?“
    „Nein, das hat mich ja so gewundert. Ich habe als
junges Mädchen die Burschen im Dorf und aus der Umgebung natürlich gekannt, und
ein paar von denen habe ich verteufelt gut gekannt!“
    „Aber!“
    „Was wollen Sie, Herr Inspektor. Das war in der
schlechten Zeit so ziemlich das einzige Vergnügen. Aber der da auf dem Foto
war keiner aus der Gegend. Er hat einen gestutzten Bart auf der Oberlippe
getragen. Das war bei unseren Burschen so gar nicht der Brauch. Und noch etwas
ist mir aufgefallen, jetzt kommt es mir wieder: Unter einem Auge hat man ein
kleines Muttermal erkennen können - ist ja nicht so häufig.“
    „Es waren ja auch viele Fremde im Dorf, in der Zeit
nach dem Krieg, nicht wahr?“
    „Besatzungssoldaten natürlich, leider. Jaja, ein
paar Russenkinder werden heute schon noch leben. Und dann die hungrigen Leute
aus der Stadt. Aber den auf dem Foto habe ich nie gesehen.“
    Der Gendarm schaute nachdenklich auf das Stück Papier.
„Hat es öfter solche Findelkinder gegeben, damals?“
    Frau Raab hustete. „Damals und nachher auch noch,
bis in die 60er Jahre. Die Männer haben ihren Spaß mit den Mädchen gehabt, und
die sind dann verzweifelt mit den Bälgern dagestanden, ohne Ehe, ohne Beruf und
bettelarm. Da hat man schon auf Ideen kommen können. Bei mir hat's gottlob nie
eingeschlagen.“ Sie schob das Foto zu Polt hin. „Sie können es gerne haben. Mir
bedeutet es nichts. Ob das jetzt der Vater war oder nicht, dem tut wahrscheinlich
schon lange nichts mehr weh.“
    „Da haben Sie vermutlich recht, Frau Raab. Dann sage
ich eben Dankeschön.“
    „Sie gehn schon wieder?“
    „Ja, leider. Ich muß ja noch ein bißchen arbeiten,
bis zur Pensionierung.“
    „Auch wieder wahr.“ Frau Raab tätschelte ihn aufmunternd.
„Gehn Sie nur schön meine Rente verdienen!“
    Polt nahm das Foto, trat vors Haus, und bevor er es
in die Rocktasche steckte, warf er noch einen Blick darauf. „Wenn ich nicht
wüßte, daß es absolut keinen Sinn ergibt“, sagte er zu sich selbst, „würde ich
meinen, daß der Herr Frieb einmal so ausgesehen hat.“
    Dann schaute er auf den Gepäckträger des Fahrrades,
sah dort den braunen Papiersack mit den zwei Wurstsemmeln, nahm eine davon
heraus und begann gedankenverloren zu essen, während er langsam durch Burgheim
fuhr. Es war ein Wesensmerkmal von Semmeln aus Aloisia Habesams Kaufhaus, daß
sie von blaßgelber bis weißlicher Färbung waren und, gleichviel zu welcher
Tageszeit sie gekauft wurden, die Konsistenz eines zu fest geratenen Erdäpfelknödels
hatten. Neu für Polt war ein deutlich seifiger Geschmack der Käsewurst. Nach
ein paar Bissen hörte er auf zu essen. Er dachte an den gelehrten Herrn Wehdorn
im Zollhaus und daran, wie er sich mit seiner

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