Blumen fuer Polt
haben.“
„Mit Gurkerl?“
„Mit Gurkerl.“
Frau Habesam ging ans Werk. „Die vier Lausbuben können
einem fast schon leid tun, was?“
Polt betrachtete mürrisch ein Rollmopsglas, das
neben der altmodischen Registrierkasse stand. „Allerdings. Aber denen ist
vorerst nicht zu helfen. Wenigstens ist nichts mehr vorgefallen in letzter
Zeit, was einen noch mehr beunruhigen müßte.“
Frau Habesam legte mit spitzen Fingern Wurstblätter
auf die Semmelhälften. „Ein Gefängnisfriede, Inspektor. Ich warte nur noch auf
die Revolte.“
„Kommt auf die Wärter an.“
Die Kauffrau hob kriegerisch eine aufgespießte Essiggurke.
„Wärter? Von diesen sogenannten Vätern reden Sie? Die waren doch selbst die
ärgsten Banditen in der Schule.
Der Wieser Manfred hat nicht nur einmal den Hosenriemen
des Lehrers zu spüren bekommen.“
„Und diese bewährten Erziehungsmethoden gibt er
jetzt weiter, hm?“
Frau Habesam hatte ein gefährlich aussehendes Messer
ergriffen und schnitt die Essiggurke mit der Geschicklichkeit eines
chinesischen Kochs in dünne Scheiben. „Nach außen hin sind die Leute im Dorf
friedlicher geworden. Aber wenn niemand zuschaut... Ich könnte Ihnen Geschichten
erzählen, Inspektor. So, fertig, ihr Junggesellenmenü. Haben Sie übrigens vom
Mordfall in Kirchtal gelesen? Ein altes Ehepaar, er 79, sie 75. Haben
zusammengelebt wie die Turteltauben, sagen die Nachbarn. Und eines Nachts erwürgt
er seine Frau und hängt sich dann auf. Möchten Sie auch noch was zu trinken
dazu?“
„Wie? Ach so. Nein.“ Polt hatte einige Mühe, Frau
Habesams Gedankensprüngen zu folgen. Sie gab die nachlässig eingewickelten
Wurstsemmeln in einen Papiersack und schob ihn über den Ladentisch. „Nach dem
Krieg war's natürlich am ärgsten. Die Russen haben geplündert, gesoffen und
vergewaltigt, die Wiener haben uns das Essen abgeschachert, und die ehemaligen
Nazis haben ihre Spuren verwischt. Überall Heimlichkeiten, Verrat, Betrug und
Gewalt. Ein Menschenleben hat wenig gegolten.“
„Was war eigentlich mit Ihnen damals, Frau Habesam?“
„Mit mir? Schleichhandel mit dem Russenlager. War
nicht ungefährlich, hat aber ganz schön was eingebracht.“
Polt überlegte. „Damals ist ja auch der Willi vor
die Haustür von Frau Raab gelegt worden.“
„Ich kann mich erinnern.“ Frau Habesams Elsterngesicht
wirkte jetzt weicher. „Sauber eingepackt war der Bub, als hätte ihn die Mutter
gar nicht gerne hergegeben. Frauen sind eben doch die besseren Menschen,
Inspektor, auch wenn sie Unrecht tun.“
„Wie Sie meinen. Was bin ich schuldig?“
„21 Schilling. Wenn Sie's bitte klein haben. Wenig Wechselgeld
in der Kasse. Und wohin geht die Reise?“
„Zum alten Zollhaus.“
„Zum Professor? Na fein. Der ist in den 60er Jahren
ins Dorf gekommen. Er hat den Traktor gelenkt, auf dem Kotflügel ist noch jemand
gesessen, und auf dem Anhänger war eine riesige schwarze Maschine. Ein
richtiger Spinner. Sie werden ja sehen!“
Polt folgte von Brunndorf aus einem Güterweg in nordöstlicher
Richtung und hielt vor einem düster wirkenden zweistöckigen Gebäude. An der
Schmalseite des Hauses war in riesigen Buchstaben und Zahlen eine Formel aufgemalt,
mit der Polt nichts anzufangen wußte. Er trat näher. In einem kleinen Behälter
an der Tür lagen Flugblätter. „Nieder mit Einstein!“ las Polt und „Die
etablierte Wissenschaft widerlegt sich selbst.“ Er spähte ins Innere und sah
eine große Druckerpresse, auf dem Boden lagen Papierbögen und waren Schachteln
gestapelt.
„Schönen guten Tag, mein Herr!“
Polt schrak zusammen, als er die Stimme hinter sich
hörte, drehte sich um und schaute einem stämmigen weißhaarigen Mann ins
Gesicht. „Grüß Gott, Herr... Wehdorn, nicht wahr?“
„In der Tat. Dieter Wehdorn ist mein Name.“
„Grüß Gott also. Und entschuldigen Sie meine
Neugier.“
Die Augen des alten Mannes funkelten belustigt und
offensichtlich auch ein wenig boshaft. „Es gibt nichts zu entschuldigen. Wer
nicht mehr neugierig ist, ist so gut wie tot. Außerdem sind Sie Gendarm.
Demnach ist Ihre Neugier sogar dienstlich.“
„Sie kennen mich?“
„Nein. Aber Sie haben die Augen eines Gendarmen. Es
gibt Berufsaugen, wissen Sie. Fotografen haben zum Beispiel auch welche, oder
Uhrmacher, oder Politiker.“
„Aha.“ Polt war überfordert.
„Und Sie kommen im Zusammenhang mit den Untaten
dieser vier Lausbuben?“
„Sind Sie Hellseher?“
„Nein, Physiker. Aber ich hatte nur
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