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Blumen fuer Zoë

Blumen fuer Zoë

Titel: Blumen fuer Zoë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Kerr
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erzählte Lee mir, dass sie als Model für Ford arbeite und in Princeton Anthropologie studiere. Nach New York komme sie nur am Wochenende, wo sie bei ihren Eltern in einer kleinen Querstraße zur 34. wohne. Als unsere Extremitäten fertig poliert waren, brachte ich sie bis vor die Haustür, mit einem schrecklichen Gefühl der Minderwertigkeit: Diese Frau war schön und intelligent und exotisch, da konnte ich einfach nicht mithalten. Vor ihrem Haus schaute sie mit der beklommenen Miene einer Frau, die einem zweiten Rendezvous nicht abgeneigt ist, auf ihre frisch gehobelten Füße. In der Not schlug ich vor, sie am folgenden Samstag in die Oper auszuführen, was sie begeistert annahm. So begann mein langsamer Abstieg in die Hölle: Eine Woche später traf ich sie mit einem mulmigen Gefühl im Magen wieder. Ich fürchtete nicht nur, auf ihre Mutter oder ihren Vater zu stoßen, die kaum älter sein konnten als ich, sondern auch auf Evelyn, deren Ausflüge zu
Macy’s
sie regelmäßig in dieses Viertel führten. Ich trug einen neuen Lambswool-Pullover, den ich einige Tage zuvor gekauft hatte, ohne mir einzugestehen, dass ich sie damit beeindrucken wollte. »Sie sehen blendend aus«, sagte Lee, als sie am Fuß der rissigen Betonstufen auftauchte. Auf dem Weg zur Met – dem Ort, an dem ich Evelyn zum ersten Mal gesehen hatte und der daher nicht frei von Symbolik war – schaute ich die ganze Zeit zum Fenster hinaus. Dieser Übergang von der Fast-Ehefrau zur potentiellen Geliebten jagte mir plötzlich Angst ein, und mein angespannter Gesichtsausdruck hat mich, glaube ich, bis zum Schluss von
Il Trittico
nicht verlassen.
    Â»Und, wie hat es Ihnen gefallen?«, fragte ich sie im Hinausgehen.
    Â»Es war einfach wunderbar; danke, dass Sie mich mitgenommen haben, Richard. Sie schienen mir aber, offen gestanden, mit anderen Dingen beschäftigt.«
    Â»Ich habe ziemlich viele Sorgen.«
    Â»Die Arbeit?« Ihre Stimme klang erstaunlich unbekümmert.
    Â»Unter anderem.«
    Wir liefen unter der sternenfreien blasslila Himmelskuppel dahin und hörten jeden unserer Schritte auf dem Asphalt widerhallen. Ich winkte ein Taxi herbei, und wir kehrten zum Ausgangspunkt vor die rissige Betontreppe zurück, ohne uns an diesem Abend wirklich unterhalten zu haben. Vor der Tür lächelte Lee noch einmal, bevor sie sich umdrehte, wie in einem Film mit Kim Novak, bloß dass ich es hier mit der handfesten und harten Realität zu tun hatte. Bis zu diesem Moment war ich ohne schlechtes Gewissen fremdgegangen, weil ich es als Ausdruck der männlichen Natur angesehen hatte und man mich daher auch nicht dafür verantwortlich machen konnte. Jetzt aber fühlte ich mich schuldig. Ich sah Lee an den Wochenenden, wenn sie nach Manhattan kam. Um des Komforts willen, den mir die Anwesenheit einer Geliebten keine 200 Meter von meinem Zuhause bescherte, reservierte ich immer dasselbe Zimmer im
Hotel Pennsylvania
. Außer der Reihe kam es auch schon einmal vor, dass ich nach Princeton fuhr, wenn ich mich, vom Gedanken an sie beschwingt, auf die anspruchsvollen Straßen New Jerseys wagte. Lee schenkte mir eine Lebensfreude und einen Rest Naivität, etwas, das Evelyn im Laufe ihres Lebens vielleicht nie erlangt oder aber auf dem Weg ins Erwachsenenalter verloren hatte. Unsere Affäre blieb ein halbes Jahr lang unbemerkt: Ich schlich mich in die Eingangshalle des
Pennsylvania
, das Gesicht unter einem schwarzen Filzhut verborgen, und wartete darauf, dass Lee ebenfalls auftauchte. Ich kam immer als Erster und ließ mich in den Clubsessel ganz in der Nähe des Eingangs sinken, den Blick fest auf die Drehtür geheftet, bis meine Geliebte auf leisen Sohlen wie eine Katze angeschlichen kam. Sie im Hotel zu treffen war mittlerweile ein fester Bestandteil meines Lebensrhythmus, jener berühmten regelmäßigen Wiederkehr von Handlungen, die mit dem Alter immer mehr an Wichtigkeit gewinnt, ohne dass man die Gründe eines solchen Mechanismus verstehen würde. Daher war es mir unmöglich, eines unserer Rendezvous auszulassen; wenn Lee einmal absagen musste, war für mich die ganze Woche verdorben, und meine Stimmung hellte sich erst bei dem Gedanken an unser nächstes Treffen wieder auf. Ich hätte es vorgezogen, mich gefühlsmäßig nicht so sehr an sie zu binden, aber diesmal war das leider unausweichlich. »Was soll bloß aus uns werden,

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