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Blumen fuer Zoë

Blumen fuer Zoë

Titel: Blumen fuer Zoë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Kerr
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–, aber Evelyn hatte ihre ganz spezielle Körperhaltung, völlig schief, die sie unmittelbar von den anderen Schönheiten mit rundem Rücken unterschied, mit denen ich damals verkehrte. Von Natur aus mit einer vornehmen Blässe ausgestattet, trug sie einen tadellos sitzenden hohen Dutt, der auf Strenge und Perfektionismus der Trägerin schließen ließ. Mit halboffenem Mund der Nacht zugewandt, betrachtete sie die vorbeifahrenden Autos. An jenem Abend hatte ich es nicht gewagt, sie anzusprechen, wegen dieser Aura des Unnahbaren, die sie umgab und die vielleicht mit ihren englischen Wurzeln zusammenhing. Aber ein paar Monate später traf ich sie anlässlich eines Wohltätigkeitsessens wieder, bei dem sich mir der Anblick ihres Alabasternackens am Nebentisch bot. Damals war ich weder reich noch bekannt: Es war Ethan P., dem ich die Einladung zu dieser mondänen Abendveranstaltung verdankte, ein Typ, den ich an der Columbia University kennengelernt hatte und der in der Gunst der Homosexuellenlobby stand. Er war in mich verknallt und hatte mir versprochen, mir bei der Versteigerung das nötige Geld vorzuschießen. Ich hob also systematisch die Hand, sobald Evelyn ein höheres Gebot abgab. Als krönenden Abschluss unseres Wettstreits überreichte ich ihr am Ende des Abends das Foto eines deutschen Künstlers, für das sie hohen Einsatz gezeigt hatte. Sie aber lehnte meine Offerte in britischunterkühltem Ton ab. Da musste ich an meinen alten Vater denken, der immer gesagt hatte: »Die reserviertesten Frauen, mein Sohn, sind die wildesten im Bett. Das solltest du dir merken, mein Junge.«
    Â»Wissen Sie, was mein Vater über Frauen wie Sie sagt?«
    Â»Machen Sie sich vom Acker, sonst verpass ich Ihnen noch einen Tritt in den Hintern«, erwiderte sie.
    Mit anderen Worten: Bei mir war es Liebe auf den ersten Blick. Auf dem Rückweg in mein kleines Apartment an der Surf Avenue schrieb ich ihr noch an diesem Abend in der hin- und herrüttelnden Metro der Linie F einen Brief, in dem ich mich für mein unenglisches Auftreten entschuldigte. Sie rief mich ein paar Tage später an, um mich zu fragen, woher ich ihre Adresse hätte.
    Â»Ihrem Vater gehört das schönste Hotel in ganz New York«, sagte ich zu ihr. »Jeder hier kennt Ihre Adresse.«
    Â»Was wollen Sie von mir?«
    Â»Ich würde Sie gern zum Essen einladen.«
    Â»Wenn ich einwillige, lassen Sie mich dann in Ruhe?«
    Â»Aber sicher.«
    Ich hatte mich ihrem Terminkalender angepasst, der, so würde ich noch herausfinden, wie bei allen reichen Erbinnen nicht sehr voll war. Wir aßen Pastrami-Sandwiches bei
Katz’s
, denn Snacks waren zu der Zeit das Einzige, was ich mir leisten konnte. Evelyn hatte an diesem Ort etwas Rührendes an sich, wie ein Fisch auf dem Trockenen. Gegen Ende der Mahlzeit schlug ich ihr vor, sie in ein schickes Restaurant auszuführen, sobald meine Finanzen dies zulassen würden, was sie aber mit dem jenseits des Atlantiks üblichen Phlegma ablehnte, das mich schon bei unserer ersten Begegnung so verzaubert hatte.
    Ein halbes Jahr später aber hatten meine Transaktionen an der Börse Früchte getragen, und ich schrieb ihr erneut, um ein Abendessen im
Plaza
vorzuschlagen. Erstaunlicherweise nahm sie meine Einladung ohne Widerrede an, und wir zogen gleich im Anschluss daran zusammen – später hat Evelyn mir gestanden, dass es bei ihr »Liebe auf den zweiten Blick« gewesen war. In den dreißig darauffolgenden Jahren waren wir ein Herz und eine Seele. Ich hätte niemals geglaubt, dass wir eines Tages getrennte Wege gehen würden. Das lag nicht etwa daran, dass ich mich über die Statistiken erhaben fühlte oder Evelyn als selbstverständlich erachtete, nein, es lag ganz einfach daran, dass wir uns wohl miteinander fühlten. Ich liebte sie. So etwas zählt. Unsere Beziehung hatte etwas von einem Zeichentrickfilm à la Walt Disney, insbesondere von
Susi und Strolch
. Sie hatte sich an meine etwas ungehobelten Manieren gewöhnt und sie sogar ein wenig liebgewonnen, glaube ich. Was mich betraf, so mochte ich den Wechsel ihrer Gesichtsfarbe, wenn sie mich dabei erwischte, wie ich in der Nase bohrte oder mir über einer alten
Penthouse
-Ausgabe einen runterholte.
    Aber Evelyn verging vor Langeweile. Als larmoyante Erbin verbrachte sie ihre Tage damit, aus den Fenstern unserer Wohnung zu schauen, und wenn ich sie

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