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Blumen fuer Zoë

Blumen fuer Zoë

Titel: Blumen fuer Zoë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Kerr
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Ausübung ihres Gewissens auf die Barrikaden ging, las sie mir ihre Gedichte vor oder regte sich im Schlaf über imaginäre Gäste auf, die bei ihr die Zeche geprellt hatten. Ihr großes Schlafbedürfnis hatte uns schon mehr als einmal irregeleitet, vor allem, als wir aus Texas hinausfuhren, wo sie eingeschlafen war, nachdem sie mir auf die Schnelle ihre Anweisungen erteilt hatte – unmöglich, so den Weg nach Kanada zu finden. Das Gute daran war jedoch, dass der Schlaf ihre verletzliche Seite zum Vorschein brachte, die sie unter allen Umständen verbergen wollte; außerdem war das für mich die Gelegenheit, auf ihre Beine zu schielen, die selbst eine Diamant-Klapperschlange zum Weinen bringen würden, ohne dass sie mir wieder einen ihrer finsteren Blicke zuwarf.
    Â»Glaubst du etwa, ich sehe dich nicht?«, stieß sie aus, als meine Augen sich auf die verbotene Zone richteten.
    Â»Ich dachte, du schläfst.«
    Â»Das ist ja vielleicht ’ne tolle Entschuldigung!«
    Sie zog eine Flasche Rum hervor, die sie zwischen die Oberschenkel geklemmt hatte, was so erotisch wirkte, dass ich eine Sekunde lang die Kontrolle über den Cadillac verlor. Dann setzte sie die Flasche an die Lippen und wischte sich anschließend mit dem Handrücken den Mund ab.
    Â»Mir ist gerade ein Gedanke gekommen, lass uns nicht über Oklahoma fahren, ja? Seit wir zusammen diese Reportage über Tulsa gesehen haben, habe ich ständig Alpträume; ich träume davon, dass mich der
Golden Driller
verfolgt und in einen Öltank schubst.«
    Â»Zoë, du weißt doch, dass ich es sowieso nicht bis dahin schaffe, selbst wenn ich wollte.«
    Es war erst drei Uhr nachmittags, aber Zoë verstärkte meinen altersbedingten Erschöpfungszustand noch. Als ich dann endlich in einem der unzähligen Motels im Bett lag, konnte ich wegen eines Hirschkopfes, der über dem Fernseher hing und mich unaufhörlich mit seinem Blick verfolgte, leider auch nicht in den Schlaf finden. Da Zoë Hunger hatte, nahmen wir in einem
Diner
um die Ecke ein verspätetes Mittagessen zu uns, neugierig beäugt von der menschlichen Fauna. Während wir auf unsere Steaks warteten, reckte Zoë ihren Kopf zur Decke, diesmal ganz ohne Allüren, und ich sagte zu ihr, dass ihre Kehle jeden Vampir vor Gier erbeben lassen würde. »Du bist pathetisch«, entgegnete sie, um dann den Senftopf näher in Augenschein zu nehmen. Die Steaks kamen, und sie fragte mich, ob ich ihr die Hälfte von meinem abgeben könne. Als Vorwand führte sie ihren legendären ›Kojotenhunger‹ an. Ich gab ihr das ganze Steak und bestellte stattdessen einen Salat, der alles in allem auch weniger gefährlich für meinen Wanst war. Die Kellnerin verdrehte genervt die Augen, bevor sie auf Rollschuhen hinter den Tresen glitt. Sie war wirklich sehr hübsch, die Sorte Kellnerin, die so wirkt, als sei sie eigentlich Tänzerin oder Sängerin in einem Nachtclub. Ich beobachtete sie, wie sie in ihren Satinshorts ihre Kreise drehte, weswegen ich mir von Zoë einen kräftigen Tritt ins Knie einhandelte.
    Bei unserer Rückkehr ins Motel fuhr mein Magen Achterbahn, und das Bein tat mir weh. Ich habe Nervensägen, notorische Spinner und Hektiker kennengelernt, aber auf meiner Hitliste verrückter Furien steht Zoë ganz oben. Sie ging duschen, während ich CNN guckte. Ein großer Spiegel im Badezimmer bot mir ihre Silhouette in der Halbtotalen an, aber da ich bereits am Morgen mit ihr geschlafen und schon jetzt Probleme hatte, den schwindelerregenden Rhythmus von einmal Sex am Tag aufrechtzuerhalten, schwollen meine Gefäße nur schwach an. Ich richtete daher meine Aufmerksamkeit stärker auf die Nachrichten des Landes, und im Anschluss an einen Bericht über das Versagen des Schulsystems in den Vororten von Detroit strahlte der Sender Bilder des Tornados in Key West aus, die mit einem grellroten Laufband unterlegt waren. Häuser ohne Dächer und Türen, entwurzelte Palmen, verwüstete Geschäfte und an der Wasseroberfläche treibende Leichen wurden uns in Luftaufnahmen präsentiert. Ich rief Zoë herbei, um sie vorzuwarnen. Als sie die Bilder sah, vergrub sie ihr Gesicht in den Händen und vergoss heiße Tränen. Inmitten des grauen Schlamms machte ich das großformatige naive Gemälde aus, das John-John mir geschenkt und das ich über meinem Bett im
Espadon
aufgehängt

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