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Blumen fuer Zoë

Blumen fuer Zoë

Titel: Blumen fuer Zoë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Kerr
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überbordenden Libido standzuhalten. Sie schnappte sich die Fernbedienung und zappte von einem Programm ins nächste, bis sie schließlich mit der Katze auf dem Bauch einschlief. Es war mir ein echtes Rätsel, was sie an meiner Gesellschaft fand und warum sie mich liebte. Ich rief Hawthorne an, um ihn zu alarmieren: Für meine plötzliche und irrationale Liebe zu einer Kindfrau sollte er mir eine freudianische Erklärung liefern, aber selbst Hawthorne hatte keine Antwort parat und riet mir zur Introspektion, bevor er das Telefonat beendete.
    Beim ersten Tageslicht machten wir uns wieder auf den Weg. Wir hatten ein wenig geschlafen und dann eine Partie Scrabble gespielt, nachdem wir beide im gleichen Moment wachgeworden waren. Eines schönen Abends nämlich, als ihre schlechte Laune mich anzustecken drohte, habe ich entdeckt, dass Scrabble sie von ihrer Langeweile ablenkt; seitdem ist das Spiel das Totem unserer Beziehung geworden, etwa so wie Bridge für viele ältere Paare. Außerdem gelingt es mir auf diese Weise, ehrlich gesagt, Zoë vom Sex abzubringen, wenn ich zu müde dazu bin – sobald ihre Krallen sich an den Knöpfen meines Hemdes zu schaffen machen und die Welle der Verzweiflung und der Ohnmacht über mich kommt, stoße ich aus: »Wie wäre es, wenn wir Scrabble spielen würden?« Ihr Elan verlagert sich dann auf Kombinationen mit ›dreifachem Wortwert‹ und ich muss mir keine Gedanken mehr um ihre Libido machen, bis zum nächsten Mal wenigstens. Um vier Uhr morgens geriet sie wegen eines Worts in Rage, das sie frei erfunden hatte, und weckte bei der Gelegenheit gleich das halbe Hotel auf.
    Â»Zoë, dieses Wort gibt es nicht, ich schwör’s dir!«, sagte ich zu ihr.
    Ich blieb ganz ruhig, aber das reichte nicht, um sie zu besänftigen. Ihr Gesicht schwebte über dem Spielfeld; in der Mitte der Stirn prangte ihre einzigartige Zornesfalte.
    Â»
Moravian
gibt es wohl! Ich habe sogar jemand im Radio sagen hören, der Autor hätte einen moravianischen Stil!«
    Â»Er meinte wohl damit, dass dessen Stil dem von Alberto Moravia ähnlich ist;
Moravian
gibt es nicht, Zoë.«
    Sie atmete tief aus.
    Â»Okay, was soll’s. Dann leg ich eben APPETIT mit dem I aus deinem TRIEB. Wie viele Punkte macht das?«
    Â»Neunundzwanzig.«
    Sie kritzelte etwas auf das Blatt mit den Ergebnissen, ein Stück Toilettenpapier.
    Â»Und ich mache AKKORD aus dem A von APPETIT, sagte ich, und das hat dreifachen Wortwert.«
    Â»Wie viele Punkte?«
    Â»Einundfünfzig.«
    Sie kippte das Spielfeld um. Es regnete Buchstaben auf den rauen Zimmerteppich.
    Â»Mir reicht’s«, verkündete sie, »lass uns zusammenpacken.«
    Sie legte sich wieder ins Bett, die Augen weit aufgerissen, weil der Verstand jetzt auf Hochtouren arbeitete, und schlief erst wieder ein, nachdem sie einen Joint geraucht hatte, ein Hilfsmittel, das ihr sowohl als morgendlicher Muntermacher als auch zur Beruhigung dient. Ihr gelingt es genauso wenig wie mir, acht Stunden am Stück friedlich durchzuschlafen, aber man kann wohl unmöglich das Abdriften eines flotten Boots mit dem eines alten Schiffswracks vergleichen: Während ich rückwärtsgerichtet in die Vergangenheit schaue, blickt sie ihrer Zukunft mit den ängstlichen Augen eines im Wald verlorenen Rehs entgegen.
    Wir befanden uns an einem nicht näher identifizierten Ort. Die Luft war lauwarm, die Sonne stand tief am Himmel, in der Ferne sah man Berge, von Quecken überwucherte Felder und einen ziemlich kalten See, in dem Zoë gebadet hatte. Ihre jüngste Anwandlung war, einen Hotdog zu wollen, der sich hier aber unter keinen Umständen auftreiben ließ, es sei denn, man fand eine Kuh und schlachtete selbst. Zoë versteht es bestens, immer das Unmögliche zu verlangen, eine Krankheit, an der auch Evelyn litt. Ich nutzte eines ihrer Nickerchen, um meine Tochter anzurufen, Zoë ist nämlich eifersüchtig auf alle Frauen, auch auf die, die ich gezeugt habe.
    Â»Paps!«, rief Maddie aus.
    Â»Ich rufe an, weil ich mal hören wollte, wie es meinem zukünftigen Enkel geht … oder meiner zukünftigen Enkelin … Gibt’s etwas Neues auf dem Gebiet?«
    Ihre Stimme wurde ernst. Sie räusperte sich.
    Â»Ich muss dir was sagen, Papa …«
    Â»Oh nein, spann mich bitte nicht auf die Folter! Sag bloß, Owen ist verschwunden, jetzt wo er dich

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