Blumen fuer Zoë
einen seltsamen Nachgeschmack, eine Mischung aus Vergangenheit und Gegenwart, aus Glück und Traurigkeit. Auf Evelyn hat Alkohol schon immer einen positiven Effekt gehabt: Insbesondere Brandy lässt ihren Ãberdruss nahezu anmutig wirken. Wir liebten uns ein letztes Mal, und ich muss sagen, es war das sonderbarste Mal von allen, sowohl was die Gefühle anging als auch im Hinblick auf die Technik. Jede ihrer Bewegungen schien darauf abzuzielen, bei mir die Erinnerung an ihre Virtuosität einzubrennen: das Spreizen der Beine, das Heben des Brustkorbs, die Finger, die sich in meinen Rücken gruben, noch nie zuvor hatte sie sich so kühn gezeigt, war sie so bedacht darauf gewesen zu beeindrucken. So sehr, dass ich es nicht bis zum Ende meiner Darbietung schaffte und kapitulierte, bevor ich den Höhepunkt erreicht hatte. Während sie sich auf dem Sofa ausstreckte, bereits wieder in Unterwäsche, erhob ich mich, um die letzten Lichtstreifen am Horizont zu betrachten und dem Sirenengeheul durch das dreifach verglaste Fenster zu lauschen. War Bob Sherman ein besserer Liebhaber als ich?
Ich drehte mich zu ihr um: Vielleicht war ja noch nicht alles verloren. »Tag X minus eins«, verkündete sie fast schon militärisch, und fügte dann hinzu, sie werde eine bessere Tarte backen als Katherine Willington.
Die Willingtons trafen am Silvesterabend als Erste ein. Wie zu erwarten, hatte Katherine ihre ekelhafte Tarte dabei. George, der seinen besten Smoking trug, gesellte sich zu mir ans Buffet, wo ich mein Spiegelbild in einer Inoxplatte betrachtete.
»Du scheinst abgenommen zu haben«, sagte er zu mir.
Ich hatte wieder mit dem Laufen im Central Park angefangen, da mein Bauchansatz sich hartnäckig hielt. Dieser hatte sich seitdem ein klein wenig zurückgebildet.
»Danke«, antwortete ich.
»Bei mir ist das Gegenteil der Fall. Wegen Katherines Tartes gehe ich immer mehr auf, und in diesem Anzug, den sie für mich ausgeliehen hat, sehe ich aus wie ein Pinguin. Furchtbar!«
Ich sollte widersprechen, das war offenkundig, aber es stimmte tatsächlich, dass er einem Pinguin glich. Anstelle einer Antwort lächelte ich daher bloà und schob ein natürliches Bedürfnis vor, um mich ins Schlafzimmer zu verziehen, den einzigen Raum, wo man der Konversation entkommen konnte. Womit eines klar sein dürfte: Ich habe schon immer eine krankhafte Abneigung gegen Feste aller Art gehabt. Ich blieb eine Zeitlang auf dem Bett sitzen â auf Evelyns Seite, wegen ihres Duftes â und vernahm keine anderen Geräusche als die, die aus dem Wohnzimmer zu mir herüberdrangen. Zu meinen FüÃen fanden sich mindestens fünf Paar Pumps, alle in demselben Karminrot, das Evelyn heute Abend so wunderbar zu Gesicht stand, in ihrem an den Hüften enganliegenden Valentino-Kleid. Es war gegen elf, als ich das Schlafzimmer wieder verlieÃ, und die Gäste hatten bereits mit dem Besäufnis begonnen. Um Mitternacht ertönten unisono Freudenrufe, und zum ersten Mal glaubte ich, eine glückliche Version von Evelyn inmitten der Luftschlangen auszumachen. Bald darauf holten die Willingtons ihre Mäntel, um sich zu verabschieden und Evelyn für den »wunderbaren Empfang« zu danken, und nach und nach verlieÃen auch die übrigen Gäste das in ein Schlachtfeld verwandelte Wohnzimmer. Evelyn saà in der Mitte des Raums, ein betrunkenes Lächeln auf den Lippen und den intensiven Geruch von Wein und Shalimar verströmend.
»Ein gelungener Abend, nicht wahr?«
»Du solltest mit dem Trinken aufhören«, sagte ich. »Du trinkst immer öfter, und immer mehr.«
»Ich habe das Glas auf dem Tisch gefunden; es war noch voll. Du weiÃt doch, ich kann nichts stehenlassen. Und auÃerdem habe ich im Moment Beziehungsprobleme.«
»Wem gehörte das Glas?«
»Keine Ahnung. Ich dachte, es wäre von dir.« Sie hielt kurz inne. »Ich breche morgen nach Chicago auf; Bob erwartet mich.«
Mit diesen Worten erhob sie sich und sammelte die leeren Flaschen ein. AnschlieÃend legte sie sich mit angewinkelten Beinen für ein paar Stunden aufs gemachte Bett. Ich setzte mich auf den Holzstuhl daneben und wartete darauf, dass sie ihre schönen Augen aufschlug, im ersten Morgenlicht, das ihre Lider wärmen würde, um mir dann einen letzten Blick zu schenken.
IV
Zoë verbrachte die meiste Zeit mit Meckern; wenn sie nicht gerade in
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