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Blumen fuer Zoë

Blumen fuer Zoë

Titel: Blumen fuer Zoë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Kerr
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hat Zoë einen Hang zur Unterwelt. Ich verbrachte den Abend damit, sie beim Billardspiel mit Typen zu beobachten, deren Arme mit Tätowierungen von Nazisymbolen übersät waren, während sie sich über das grüne Spielfeld beugte, auf dem unzählige Zigaretten ihre Brandspuren hinterlassen hatten. Sie hatte auch kein Problem damit, sich in deren Beisein mehrere Joints anzuzünden – sie teilten offenbar die tiefe Abneigung gegen Recht und Ordnung, um es einmal milde auszudrücken –, und um zwei Uhr nachts tanzten sie immer noch zusammen. Von der testosterongetränkten Stirn der Männer tropfte der Schweiß auf Zoës leuchtende Haut. Währenddessen versuchte eine Blondine mit einem Anker auf dem Arm, mich und mein Ding an der Bar zu hypnotisieren. Da sie aber nach Hamburger roch, wimmelte ich sie schnell wieder ab. In erster Linie lag das aber daran, dass meine ganze Aufmerksamkeit auf Zoë oder vielmehr auf die Typen gerichtet war, die sie umkreisten, und ich spürte, wie eine fremde Hitze, auch Eifersucht genannt, mich krampfhaft den Kiefer zusammenpressen ließ.
    Im Morgengrauen verließen wir die Bar. Da Zoë betrunken war, legte ich sie auf den Rücksitz des Cadillacs, während man durch die schmutzige Windschutzscheibe die letzten Sterne am Himmel entschwinden sah.

V
    Ich summte gerade ein Lied von John Denver, als sich ein selbstmörderisches Reh vor die Räder des Wagens warf. Nach dem Aufprall blieb es quer über der Windschutzscheibe liegen. Zoë brüllte wie am Spieß. Ich stellte die Warnblinkanlage an und tastete den Rumpf des Tieres ab, dessen dichtes weiches Fell mich irgendwie an meinen verstorbenen Cash erinnerte. Ich schnürte seine Läufe mit doppelseitigem Klebeband zusammen, das Zoë im Handschuhfach gefunden hatte, und verfrachtete das Tier auf die Hinterbank – wir würden am erstbesten Krankenhaus haltmachen. Das Reh wehrte sich aber sehr, und seine Schmerzensschreie mischten sich zeitweise mit denen Zoës.
    Â»Könntest du bitte damit aufhören, ja?«, rief ich.
    Sowohl das Reh als auch Zoë hielten inne. Da das Tier inzwischen heftig nach Luft schnappte, parkte ich den Wagen hinter einer Reklametafel, um neugierigen Blicken zu entgehen und eine Lösung für mein neues Problem zu finden.
    Â»Ja, Mensch, was hast du denn erwartet?«, kreischte Zoë. »Das Tier kann sich ja schließlich nicht selbst verarzten!«
    Â»Dann sag du mir doch, wie es weitergehen soll!«
    Â»Du musst bloß den Notruf wählen!«
    Â»Und was soll ich denen sagen? Hallo, ich habe hier ein Reh, das ärztliche Hilfe braucht? Ich weiß ja noch nicht einmal, wo wir sind!«
    Â»Genau dafür ist die 911 doch da, Mann! Die orten dich.«
    Ich lief zur Notrufsäule und nahm den Hörer ab. Die Verbindung baute sich von selbst auf. Seitdem habe ich gelernt, mich nie mehr auf Zoës Weisheiten zu verlassen.
    Â»Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst.«
    Â»Ich bräuchte bitte einen Rettungswagen.«
    Ich wollte höflich sein, aber es handelte sich bloß um eine Ansage vom Band. Diese bat mich um etwas Geduld, bis mein Anruf von einem Mitarbeiter entgegengenommen würde.
    Â»911, was haben Sie für ein Problem?«
    Â»Es geht um ein Reh. Es müsste künstlich beatmet werden; es kriegt kaum Luft.«
    Â»Moment mal, langsam, können Sie mir sagen, wer sich in Not befindet? Ein Mann, eine Frau oder ein Kind? Hat das Tier jemanden angegriffen? Handelt es sich um eine ältere Person? Könnten Sie mal in der Brieftasche nachsehen?«
    Â»In der Brieftasche?«
    Â»Unter Umständen finden Sie dort einen Notfallausweis.«
    Â»Nein, da haben Sie etwas falsch verstanden. Es hat niemanden angegriffen. Ich rufe allein wegen des Rehs an, ich habe es überfahren.« Ich hielt kurz inne. »Es war keine Absicht.«
    Â»Moment mal, Sie rufen wegen eines Rehs an?«
    Â»Na ja, das ist doch ein Tier wie Sie und ich.«
    Â»Augenblick bitte.«
    Es blieb erst einmal still in der Leitung.
    Â»Es tut mir leid«, meldete die junge Frau sich schließlich wieder, »aber wir können auf Ihr Anliegen leider nicht eingehen. Wir rücken nur für Menschen aus.«
    Â»Was soll ich denn machen? Das Reh wird sterben.«
    Â»Wenden Sie sich bitte an den Tierschutz, mein Herr. Uns ist es leider nicht möglich, Ihnen Sanitäter zu schicken. Bis zum nächsten Mal unter der

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