Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
Vom Netzwerk:
là, là. Oh, là, là!
    Er war betrunken, wusste nicht, ob er seine Frau berührt hatte oder es nur wollte.
    Komm, komm her!, brüllte er.
    Klara stand neben ihm, schrei nur, heute machst du, was du willst.
    Ich will mit dir tanzen!
    Bitte, nur zu!
    Sie tanzten tatsächlich, und er sang irgendeine alte Melodie. Einmal hatten sie auch im Gefängnis getanzt. Sie spielten für einander ihre Frauen, gestandene, seriöse Männer, sogar der wortkarge Major machte mit. Er sang an Klaras Hals, drehte sie im Kreis. Sie stießen mit den Knien zusammen. Macht nichts, macht nichts. Jetzt wird getanzt, getanzt!
    Die Sonne ging auf, krächzend und blökend erwachten die Tiere der Umgebung, nun saß er am Fensterbrett und rauchte, Klara breitete eine Decke über ihn und drückte ihm eine Tasse Kaffee in die Hand.
    Das Programm des Herrschers wurde auf riesigen, von Soldaten bewachten Plakaten bekanntgegeben. An der nahen Ecke der Korona-Straße schob ein Posten noch immer Wache, eine Glocke wummerte sieben Uhr.
    An diesem Tag besuchte der Herrscher auch Kasernen und Schulen, dann bemühte er sich nach Neu-Szeged, und Königin Elisabeth vergoldete in öffentlichen Krankenhäusern einigen Sterbenden die letzte Minute. Imre drückte den Stummel aus und schloss das Fenster, ungeschickt, er war es nicht mehr gewohnt. Das Kind kam ab und zu hervor und schlich um sie herum, es bemühte sich zu begreifen, dass sie nicht mehr zu zweit im Haus waren. Mit niedergeschlagenen Augen fragte es den Vater nach dem Fremden von gestern, der so gerochen hatte, als wäre er gerade aus einem Sumpf gestiegen. Imre brummte nur, er werde es ihm ein andermal erzählen. Er betrachtete das Kind, sicher würde es sich langsam daran gewöhnen, dass die Worte des Vaters die Ungewissheit nur noch vergrößerten. Der Vater war zurückgekehrt, und er redete nicht so, wie andere Väter zu ihren Kindern redeten, seine Worte waren unverständlich und halfen nicht.
    Seine Augen waren gerötet, das Kinn stoppelig, das Haar zerzaust. Er hatte viel geraucht, vom Brot nur abgebissen und von der Gurke den Saft getrunken. Im Morgenlicht nieselte der Staub, immer wieder blitzte ein Körnchen auf. Einen Dienstboten gab es nicht, dafür war kein Geld da.
    Er nickte, gut, mein Sohn, hab keine Angst, geh ruhig spielen! Los, geh nur!
    Doch das Kind lief nicht in den Hof. Der Vormittag verrann. Gegen zehn Uhr erschien einer von Gilagógs Leuten, er kam nicht ins Haus, sondern rief von der Straße herein, der Woiwode lasse ausrichten, Habred sei aufgebahrt. Bald darauf trabte ein anderer Bursche in den Hof, Herr Schütz lasse fragen, ob Herr Schön nicht Lust habe, ein wenig zu plantschen, vor ein paar Tagen seien neue Wannen ins Dampfbad gebracht worden, es tue gut, sich darin zu aalen, und es gebe einen neuen Massagemeister, einen Türken, der habe Hände, mit denen er Verspannungen selbst aus dem Rücken des Propheten herauskneten würde. Der Junge sagte alles in einem Atemzug, offenbar war es ihm eingedrillt worden, dann schnappte er nur noch nach Luft.
    Imre winkte ab, ein andermal.
    Klara trat zu ihm, strich über sein ergrauendes, bereits schütteres Haar, nun war sie schon fähig, ihn zu berühren. Willst du etwas, fragte sie, Tee, ein Glas Wein, Likör?
    Du fragst gar nicht nach Peter, sagte sie leise.
    Ihre Hand verharrte auf seinem Genick, er spürte ihr Zittern. Peter ist ständig irgendwo, in Italien, Prag oder Pest. Peter ist unauffindbar. Klara lachte gereizt, und Imre spürte hinter dem Lachen die Wut der Enttäuschung und auch noch etwas anderes. Sie lächelte verächtlich. Kürzlich hatte sie von Peter einen Brief voll ungereimten Zeugs erhalten, offenbar in trunkenem Zustand geschrieben, in dem er sich darüber verbreitete, er habe auf der Promenade der Villa Borghese einen Baum gesehen, dessen Stamm ein solches Loch gehabt habe, dass man hindurchsehen konnte. Zu viert hätten sie den Stamm nicht umfassen können, so dick sei er gewesen.
    Imre sah sie überrascht an.
    Was war das für ein Baum?
    Das hat Peter nicht geschrieben, vielleicht eine Eibe oder sonst irgendein Nadelbaum.
    Und was mag er durch das Loch gesehen haben?
    Klara zuckte die Achseln, na die anderen Bäume, das Gras auf der Promenade, Kies!
    Hat er nicht vielleicht zufällig dich gesehen?
    Sie tat so, als hätte sie es nicht gehört.
    Er hat geschrieben, dass er nach Sizilien weiterfährt, obwohl das jetzt eine gefährliche Gegend ist.
    So ist es, vollkommen egal, wo mein Bruder jetzt hinfährt.

Weitere Kostenlose Bücher