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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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mehr sein?, der Junge sah enttäuscht aus.
    Du erzählst es, und siehst du, es bleibt trotzdem ein Geheimnis, lächelte Imre. So ist das. Gar nicht so kompliziert.
    Das Kind schwieg, es kratzte am Tisch herum, und während der Vater zahlte, betrachtete es unverwandt die Münzen. Die frische Luft danach tat wohl, sie gingen Richtung Theiß, ließen sich von krummen Gassen führen, der Junge sah in die Fenster hinein. Bald standen sie am Ufer, und das Leben war nach der Abreise des Herrscherpaars nicht anders als früher. Am Weizenmarkt Gewimmel, auf der Hexeninsel ein grünes Wogen, die schwarze Eisenbahnbrücke links streckte sich über den Fluss,gegen Norden waren die weißen Mauern der Burg zu sehen. Die Theiß zog grau dahin, doch das Ufer lebte, Schiffszimmerer und Esel treibende Wasserträger schimpften, die Fischer trieben einander zur Eile an, bewaffnete Soldaten standen neben den Kähnen und spuckten um die Wette. Nach nur einem einzigen Tag sah das Ufer genauso verwahrlost aus wie vor dem Besuch des Kaisers, es hatte sich ganz selbstverständlich zurückverwandelt in seinen natürlichen Zustand. Imres Hand legte sich auf die Schultern des Kindes, er begann zu sprechen.
    Wenn du Glück hast, wirst du einmal viel in der Welt herumkommen, du wirst dich an die Städte, an die Menschen und die Häuser erinnern, wo du warmes Essen und freundliche Worte bekommen hast. Doch du rufst diese Erinnerungen nicht, sie kommen ungebeten, sie brechen über dich herein, sie stehen dir bei, wecken deine Ängste, und du verstehst nicht, warum diese oder jene Bilder etwas von dir wollen. Du wirst keine Macht über sie haben, auch dann nicht, wenn du ständig von ihnen redest. Vielleicht kommst du zu dem Schluss, dass sie unnütz sind wie Geld. Gib dich nicht mit ihnen ab.
    Worum soll ich mich nicht mit ihnen abgeben?, fragte der Junge unsicher.
    Nur ein Leben, in das du Gäste einladen kannst, ist etwas wert.
    Und diese Gäste bestehen nicht nur aus Erinnerungen?!
    Der Junge starrte ihn an, auf einmal zuckte er.
    Ein paar Meter entfernt stand Struwwelmadonna, in ihrem gelben Haar summten Wespen, ihr dünner Körper wurde vom Licht durchdrungen. Sie sang leise, mit seitlich geneigtem Kopf, und betrachtete sie aufmerksam, als wundere sie sich über einen Traum.

Zur Vernunft kommen, zur Vernunft kommen!
    Er schreckte hoch, Klara schüttelte ihn, kratzte ihn kreischend, riss ihn an den Haaren. Er setzte sich auf, wehrte sich nicht. Sie schliefen nicht im selben Zimmer, offenbar hatte er so viel getrunken, dass er nicht aufgewacht war, als sie hereinkam und Licht machte. Also war noch Nacht. Leere Flaschen lagen am Boden. Er hatte den Geschmack von Blut im Mund, Klara musste ihm mit ihren Fingernägeln die Lippen aufgerissen haben. Sie schlug ihn, wie sie nur konnte, der Verband an seinem Hals wurde warm. Benommen sah er sie an, interessanterweise hatten Zorn und Ohnmacht sie nicht altern lassen, sondern verjüngt, geradezu ein junges Mädchen war sie geworden, vielleicht so eines wie Somnakaj. Klaras Griff ließ Spuren auf seiner Haut zurück. Auch das tat nicht weh, von ihr tat gar nichts mehr weh. Während sie schrie, bekam er auch ihren Speichel ab, und das war angenehm, er schloss die Augen. Wie gerne würde er von ihr gebissen werden.
    Wie lange willst du das noch machen, wie lange?!, kreischte Klara.
    Ich weiß nicht, was ich mache, flüsterte Imre, beinahe wäre ihm ein Lachen entschlüpft, denn der Morgenrock gab den Blick auf ihre Brust frei, beinahe hätte er hingegriffen.
    Du spielst, spielst dieses grauenhafte Spiel … dieses … mein Gott, Imre, ich weiß nicht, wozu das gut sein soll!
    Was meinst du, was denn!, flüsterte er und sah ihre Brustwarzen an.
    Sie hielt ihn immer noch fest, doch jetzt weinte sie nur noch.
    Du hast es mir nicht geschrieben, flüsterte Imre, du hast mir nicht geschrieben, was passiert ist.
    Klara schluckte, wie hätte ich das tun können?!
    Ich hätte das Recht gehabt, es zu erfahren.
    Wenn … wenn ich es schreibe, gibt es kein Weiter, verstehst du?!
    Ich hätte das Recht gehabt, es zu erfahren.
    Erst wenn ich davon schreibe, stirbt es wirklich!, Klara nickte wie von Sinnen.
    Ich hätte das Recht gehabt, es zu erfahren.
    Nein, nein, nein, ich konnte es nicht schreiben! Unmöglich! Nein … ich konnte es nicht niederschreiben. Ich … ich war dazu nicht imstande.
    Imre schüttelte den Kopf, allmählich überkam auch ihn die Raserei, er hätte Lust gehabt zu töten, Klara, Klara, Klara,

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