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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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lässt sich am Spiel pflanzlicher Organismen veranschaulichen?!
    Schauer- und Klatschgeschichten kursierten in den hintersten Winkeln des Reichs, Komplotte wurden geschmiedet und Karikaturen verbreitet, heimlich Witze erzählt und Steuern verspätet gezahlt, die Leute lieferten verspätet, gebaren und starben verspätet! Sie waren immer schon so, betrügerisch und undankbar, sie verspäteten und verspäteten sich. Auch wenn sie Ja sagten, wie viele Nuancen hatte das! Wenn sie Ja sagten, war das eher ein Vielleicht, eventuell ein Ein-andermal, doch am wahrscheinlichsten bedeutete es Nein. Ja, nickten sie, doch sie blinzelten nur und hätten sich lieber die Hand abhacken lassen, als sich auch nur ein klein wenig zu bewegen. Ja, sagten sie und blieben sitzen. Hatte Schön denn nicht suggeriert, dass alles wie das Leben einer Wiese sei?!
    Blumenfresser, der Herr aus Wien ließ das Wort auf der Zunge zergehen.
    Was für eine Überraschung er am Vormittag erlebt hat! Gerade entwarf er einen Bericht über den Vortrag, als sein Sekretär meldete, es sei Besuch da. Wer soll das denn sein? Frau Schön, verbeugte sich der Sekretär, und vor Überraschung wäre ihm fast die Feder aus der Hand gefallen.
    Sie war müde, angegriffen und schön. Hm, man muss die Menschen ermüden, damit sie schöner werden, darüber würde er noch nachdenken. Unter ihren Augen zogen sich Falten, die Lippen waren geschwollen, die Hände zitterten. Ohne Zweifel, sie mochte eine interessante Nacht hinter sich haben. Ihr Mann hatte getan, was er tun wollte, er hatte sein eigenes Süppchen gekocht, und ihr blieb nichts anderes als zu weinen. Sie sprach entschlossen, bot so ziemlich alles an, um ihren Mann zu retten. Der Herr aus Wien beneidete Schön einen Moment lang. Ein glücklicher Mann, wenn sie für ihn zu einem solchen Opfer bereit war. Er aber zeigte sich natürlich erschüttert, legte dar, dass er nicht mehr helfen könne. Nein? Nein. Auf gar keinen Fall? Auf gar keinen Fall. Sie schwiegen ein wenig, die Frau stand auf und sah ihn an. Ob er sicher sei, dass er nicht helfen könne? Der Herr aus Wien bemühte sich, nicht zu lächeln. So war das, auch der hochnäsigste Blick verdarb und wurde ein flehentlicher. Ein wenig trübte sich seine Laune. Doch als sie ging, tat er etwas, was er bei anderen Besucherinnen, außer bei besonders vornehmen Damen, noch nie getan hatte, er küsste ihr die Hand. Sie zog sie nicht zurück, ließ es zu, dass seine Zunge sie berührte und einen langsamen Kreis zog, dann hob er die Hand ein wenig an und legte sein Gesicht darauf. Während er die Hand hielt, spürte er, wie fein die Frau zitterte.
    Ich weiß, sagte der Herr aus Wien, dass sich auf dieser Hand ein roter Fleck befindet.
    Jetzt spüren Sie es auch, Karl, sagte sie, ihre Stimme war heiser.
    Ich spüre es, lächelte er und schloss einen Moment lang die Augen, er bekam eine Erektion.
    Am Tag vor dem Vortrag hatte er das Konzept für die Analyse der Tätigkeit der Geheimdienste ins Ministerium geschickt, darin legte er detailliert dar, welche Veränderungen in die Wege zu leiten seien, um den Ungarn das Rückgrat zu brechen. Wenn die Knospen aufsprangen, würde das neue Spionagesystem schon einsatzbereit sein. Der Polizeiverein wurde gegründet, in dem er sich berechtigte Hoffnung auf einen bedeutenden Posten machen konnte. Das wichtigste Kriterium eines Agenten sei Klugheit und Feigheit, schrieb er in seinen Bericht. Er gab auch den Rat, den Agenten solle das Thema etwas angehen und er solle eine gesellschaftliche Figur sein, es sei zu begrüßen, wenn er eine Anstellung habe und sich nicht nur aus der spärlich fließenden Apanage für seine Agententätigkeit erhalte. In Wien war das System nach der Revolution zusammengebrochen, doch hier, dank seines segensreichen Wirkens, hatte das Spionagenetz weiterhin gut funktioniert. Er seufzte und sagte mehrmals Blumenfresser, Blumenfresser!
    O wie nutzbringend könnte ein Grashalm spionieren, er könnte von der ganzen scheußlichen Wiese erzählen, vom letzten Unkraut und Heuhaufen!
    Es geschah genau so, wie er es erwartet hatte. Schön agitierte, wiegelte auf und stellte ihre Geduld und ihr Wohlwollen auf die Probe. Schöns Vortrag war eine offene Rebellion, wenngleich man zugeben musste, dass einige Rebellen vom gleichen Schlagdas gar nicht bemerkten. Es gab Leute, die enttäuscht den Saal verließen.
    Er glaubte am Ende der Schulgasse den Redakteur zu erkennen, beim Eingang des Kaffeehauses, dessen Aufschrift Zum

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