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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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Goldenen Löwen ebenfalls zu sehen war. Ja, wirklich, dieser Goldene Löwe war ein gemütlicher Ort, früher, bevor man sich das Lokal mehrmals vorgeknöpft hatte, ein Glutnest der Rebellion. Doch neuerdings schien es sich wieder zu fangen, die Attilas und roten Kordeln vermehrten sich, es wurde verstohlen geredet, Blicke blitzten. Idioten!, dachte der Herr aus Wien. Sie begreifen nicht, dass sie keine Chance haben! Kaffeeduft stieg ihm in die Nase. Nein, nicht Kigl hatte beim Eingang herumgestanden, nur eine ähnlich krumme Gestalt, die sich nun Richtung Burg entfernte.
    Kigl hatte den Herrn aus Wien um ein Rendezvous gebeten, er hatte um ein Treffen gefleht und ärgerlicherweise das wichtigste Gesetz verletzt. Nach dem Vortrag hatte der Journalist sich trotz seines missbilligenden Blicks zwischen den Menschen, die das Ereignis erörterten, zu ihm durchgedrängt und sich zu der Kühnheit verstiegen, seinen Arm zu packen und ihm ins Ohr zu flüstern. Er bat um ein sofortiges Treffen, und der Herr aus Wien sah, dass an seiner Schläfe eine Ader bebte.
    Kigl war verrückt oder einfach nur müde geworden. Möglicherweise war er in den Besitz außergewöhnlicher Informationen gelangt und wollte nun seine Schuld tilgen. Bisher hatte er wenig geboten, das war offensichtlich. Der Sohn des Redakteurs war natürlich am Leben, obwohl auch er selbst ihn in letzter Zeit aus den Augen verloren hatte. Doch wenn er lebte, würde er wieder auftauchen. Das aber verschwieg er nicht nur Kigl, sondern auch seinen engsten Arbeitskollegen. Der junge Kigl war für ihn ein Unterpfand. Nicht alle Informationen gab er an den Apparat weiter, denn auch mit weniger wichtigen ließen sich vorteilhafte Geschäfte abschließen. Wen interessierte es, ob dieser junge Kigl lebte?! Nur den versoffenen Vater, der alles für dieses Wissen geben würde, der ein angenehmer Plauderer, wiewohlkein übermäßig geistreicher Mensch war. Selbstgefällig wie ein schlechter Schauspieler, hob er auch dann die Stimme, wenn zu flüstern genügt hätte. Er sah nicht über den Hinterhof seiner unbedeutenden Persönlichkeit hinaus, hatte keinen Einblick in den tieferen Sinn der Weltordnung, er benutzte sein Leben nur und würde es schließlich wie ein Kleidungsstück abtragen und auf den Müllhaufen des Todes werfen. Der Herr aus Wien wusste genau, wann der Redakteur verharmlosen und wann etwas aufblasen wollte, er spürte den Weihrauch der Täuschung, amüsierte sich über die durchsichtigen Tricks der ausgefuchsten Sätze, seine Sache war es, alles zu sehen und wahrzunehmen, zu erkennen, was der andere am meisten zu verbergen wünschte.
    Der Herr aus Wien wusste, wie bei einer eindeutigen Lüge die Hände im Schoß zuckten. Dafür hatte er Talent, das zeigte sich bereits zu Beginn seiner Zeit bei der Wiener Polizei, und obwohl er anfangs auf der Straße Dienst tat, leuchtete bald sein Glücksstern auf, als er mit ein paar einfachen Fragen aufdeckte, wer den pensionierten General ermordet und ausgeraubt hatte. Um den Fall zu lösen, brauchte es einen wie ihn, Karl Bischof. Es war offensichtlich, dass jemand, der Uhren sammelte wie der greise General, in engen Beziehungen zu einem Uhrmacher stand, und dieser hatte einen Gehilfen. Der war zufällig sein Neffe mit einem krankhaften Hang zu Karten und sonstigem Glücksspiel, außerdem verlor er oft. Und die Polizei fragte den Gehilfen, wo er zum Zeitpunkt des Mordes gewesen war. Wie lachhaft simpel war das! Er hatte sich fast geschämt, das Rätsel so leicht zu lösen. Seine Laufbahn nahm eine steile Wendung nach oben, er gewann beträchtliches Ansehen, leitete bereits eine Hauptabteilung, und als dann der Aufstand losbrach, erhielt er eine so aufregende wie kurzweilige Aufgabe in Ungarn. Er mischte sich als Soldat unter die Rebellen, kämpfte gemeinsam mit ihnen, an ihrer Seite, und brachte vermutlich auch Gefährten um.
    Schön veränderte keinen Moment den Rhythmus seiner Schritte, dachte der Herr aus Wien, er war gefährlicher als der Zeitungsredakteur, weil ihn der Aufbau der Macht, die Zusammenhänge, die Relationen und die Folgen nicht interessierten. Schön ärgerte sich nicht über die Ungerechtigkeiten, über die übertriebene Strenge, er demonstrierte und opponierte nicht, er wurde nicht laut und widersetzte sich nicht.
    Das nachmittägliche Licht blendete den Herrn aus Wien, er beschirmte die Augen, die Welt war schön. Die Menschen, die zwei jungen Mädchen, die sich biegenden Robinienzweige! Die Welt war

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