Blumenfresser
wieder auf der Nordseite des Platzes auftauchte, rannten die vor dem Rathaus wartenden Gendarmen hinzu. Doch sie konnten den Herrn aus Wien in keiner Weise vom Bock herunterheben, sosehr sie auch zogen und zerrten, er lächelte nur und blieb an seinem Platz. Einer der Gendarmen kniete sich auf den Bock und öffnete die Jacke des Herrn, er schrie auf und schlug ein Kreuz. Der Herr aus Wien troff von Blut, weil man ihn am Bock festgenagelt hatte! Zwei mächtige Haken waren durch die Schenkel getrieben und verankerten den Körper von unten auf der Bank. Auch hatten beim Schiffsbau gebräuchliche Klammern den Oberkörper durchbohrt und an den Bock geheftet. Nach wie vor sah der Herr aus Wien, die Blume im Mund, die Gendarmen fröhlich an.
Doktor Schütz, den man zu dem Fall gerufen hatte, stand erstarrt vor dem Toten und wiederholte immer nur ein einziges Wort, nein, nein, nein. Er zog ihm die Rose aus dem Mund, roch daran, dann drückte er ihm die Augen zu und wandte sich an den neben ihm wartenden Polizeihauptmann.
Sie duftet noch immer.
Wie bitte?!
Ich glaube, Herr Hauptmann, der Arme hat noch gelebt, die Stimme von Doktor Schütz kippte um.
Der Hauptmann neigte den Kopf vor.
Er hat noch gelebt, als man ihn an den Bock nagelte, murmelte der Doktor und wischte sein beschlagenes Binokel ab. Die Tränen tropften ihm bereits vom Kinn.
Kigl war unauffindbar, obwohl man die Stadt umkrempelte, die Gasthäuser wurden durchstöbert, die Stadtwäldchen, der Eichenwald und die Hexeninsel durchkämmt. Auch das Zigeunerlager versetzten die Gendarmen in Aufruhr, indem sie am frühen Morgen sämtliche Männer, Frauen und Kinder aus den Häusern brüllten. Ein struppiger, schwarzer Hund sprang sie an, zwei Schüsse erledigten ihn. Seine eigenen Leute versuchten den Woiwoden zurückzuhalten, junge Burschen knieten sichauf den Schaum Spuckenden. Der Kommandant der Gendarmen ging gemächlich zu ihm hin und trat ihm so heftig gegen den Kopf, dass ihm der Fuß wehtat. Eine Hexe ging keifend auf die Soldaten los, sie machten nicht viel Federlesens und stachen ihr mit dem Bajonett in den Hintern, worauf das Weib kreischend in die Büsche floh, zur Sicherheit schossen sie ihr nach.
Der Hauptverdächtige des Mordes war verschwunden. Der Bauer, auf dessen Wagen der tote Herr aus Wien durch die Stadt kutschiert war, wurde in Eisen in die Stadt geschleppt, obwohl es klar war, dass er nichts mit der Tat zu tun hatte, sein Fuhrwerk war ihm am Tag von Imres Vortrag gestohlen worden. Die Witwe, deren Haus als Schauplatz der Tat gedient hatte und die, weil Kigl sie vor seinem Verbrechen unter einem Vorwand dorthin geschickt hatte, bei ihrer Schwester in der Nachbarstraße zitterte, wurde in Haft genommen. Sie jammerte und raufte sich die Haare. Imre wurde anderntags verschleppt. Während die Beamten die Wohnung durchwühlten, musste der gebrochene, halbtote Doktor Schütz des langen und des breiten erklären, dass er keine Ahnung habe, aus welchen Erwägungen heraus der geheim beauftragte Direktor, den alle nur den »Herrn aus Wien« nannten, neben Kigls Namen auch den seinen auf einen Zettel geschrieben und genau fünf Ausrufungszeichen dazugesetzt hatte.
Wulfenia Carinthiaca
Der Offizier hieß Vogel. Er erinnerte sich, dass der Ungar vor einigen Jahren mit einem schmutzigen Zigeuner in der Kneipe gesessen und sich eingehend mit ihm beraten hatte. Vogel hatte sich vom einfachen Soldaten auf den privilegierten Posten eines Vernehmers hinaufgekämpft, nicht lange nach dem Sieg war er Untersuchungsinspektor geworden. Mit Recht war er nicht gut auf die Ungarn zu sprechen. Ganz am Beginn der Rebellion hattesein Bruder, der jüngere Vogel, in einem unbedeutenden Scharmützel am Balaton den Tod gefunden. Er hatte gestottert, er war klein und kränklich gewesen, und er, der ältere Vogel, verstand nicht, warum man ihn an die Front geschickt hatte, warum nur, wo man ihn auch mit ungefährlicher Schreibtischarbeit hätte betrauen können. Der Junge hatte sorgfältig geschrieben und geschickt gezeichnet, er wäre ein ausgezeichneter Militärtechniker geworden, trotzdem hatten sie ihn in den Tod getrieben und von den rebellischen Bastarden abschießen lassen, deshalb grollte er auch den eigenen Leuten. An seinen düsteren Tagen hasste er die ganze Welt, sogar den Spiegel spuckte er an.
Schon seit Minuten starrte er in das lange Gesicht des Ungarn, der sichtlich erregt war, seine Hand zitterte auf dem Tisch, und in seinem Blick, wie gut kannte Vogel
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