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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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spürte er auch eine Art Bedrohung, doch weil er die Unterredung hinter sich bringen wollte, trat er ohne zu klopfen ins Haus.
    Vornübergebeugt am Tisch saß Kigl, neben sich eine Weinflasche, eben stellte er das Glas ab. Als er ihn erblickte, lächelte er zerstreut.
    Danke, sagte er.
    Der Herr aus Wien musste lächeln, ich habe über uns nachgedacht, sagte er und nahm Kigl gegenüber Platz. Er achtete darauf, dass sein Gesicht im Schatten blieb, sein Blick sollte nicht zu sehen sein. Kigl schüttelte den Kopf, es war überflüssig, über mich nachzudenken, gnädiger Herr. Und nicht nur überflüssig, sondern nutzlos! Der Redakteur sprach höflich, doch mit roher Offenheit, fast schon feindselig. Der Herr aus Wien war überrascht, er neigte sich vor, um sein Gegenüber besser zu sehen.
    Und sind Sie zu einem Ergebnis gelangt, Herr Redakteur?, fragte er mit seinem liebenswürdigeren Lächeln.
    Sie sagen es, bemerkte Kigl, ich bin wohin gelangt.
    Herr Kigl, Sie sind vielleicht müde, konstatierte der Herr aus Wien.
    Das ist, wenn ich bitten darf, nicht Müdigkeit, sondern ein Entschluss.
    Sie wollen darüber reden, sonst hätten Sie mich nicht gerufen.
    Genau, sagte Kigl, ich will mit Ihnen über meinen Entschluss reden, ich will Sie einweihen, gnädiger Herr.
    Das ehrt mich, antwortete der Herr aus Wien. Er schauderte, als hätte man ihm mit einem gefrorenen Tuch über den Rücken gestrichen.
    Schlussendlich sind Sie davon betroffen, Kigl hob seine Finger und begann sie zu betrachten. Er hatte knochige, starke Finger.
    Da bin ich Ihnen sehr verbunden! Sie haben, Herr Redakteur, in naher Zukunft Pläne mit mir?! Wollen Sie etwa unser Verhältnis auf eine neue Grundlage stellen?
    Kigl schlug begeistert in die Luft, ganz richtig, auf eine neue Grundlage, verehrter Herr, eine völlig neue.
    Die Gesichtszüge des Herrn aus Wien verhärteten sich, doch er lächelte immer noch.
    Kommen Sie zur Sache, Kigl!, sagte er leise.
    Der Redakteur sah kindlich dumm drein, schürzte die Unterlippe, er wurde einfältig bis zum Schwachsinn, und so sprach er auch den folgenden Satz.
    Ich bin dahin gelangt, gnädiger Herr, dass ich Sie umbringen werde.
    Der Herr aus Wien lachte auf, er dachte daran, dass in seiner Jacketttasche ein kleines Messer steckte, das er immer bei sich trug. Einer jungen Frau war damit ins Herz gestochen worden, ihr Mörder war ein Schauspieler gewesen, ihr Geliebter. Das Messer mit dem Perlmuttgriff war ein teures Andenken. Der Herr aus Wien hatte es ihr aus dem Herzen gezogen, worauf sie unvermutet die Augen öffnete. Kigl war müde, unbrauchbar geworden, man konnte ihn nicht mehr einsetzen. Wie gut er auch das vorausgesehen hatte! Er fühlte eine Wonne wie nach dem Niederzwingen eines hartnäckig leugnenden Mörders, wenn dieser seine Untat gestanden hat. Doch er konnte dem noch immer stumpfsinnig glotzenden Kigl eine gewisse Anerkennung nicht versagen, denn eine Rebellion in der Form einer solchen offenen Kriegserklärung hatte noch kein einziger der Mitarbeiter des Herrn aus Wien gewagt. Kigl wollte zuletzt sein Spiel noch schön spielen. Vielleicht war er gar kein so miserabler Schauspieler. Der Herr aus Wien horchte, ob sich jemand in der Nähe verborgen hielt, nur der Wind rüttelte an den Ästen des Nussbaums im Hof.
    Man könnte sagen, heuchelte er Enttäuschung, dass Sie einen riesigen Fehler begangen haben, Kigl. Ich schätze Sie, genau genommen sehe ich zu Ihnen auf. Wer kann sich rühmen, noch nie im Leben einen Fehler gemacht zu haben?! Zudem stellt der verantwortungsvolle Beruf, den Sie ausüben, die Belastbarkeit des Geistes täglich auf die Probe. Ewig wachsam sein, im Gedächtnis behalten, abwägen − was für eine Anstrengung erfordert das! Herr Kigl, ich bin bereit zu vergessen, was Sie soeben gesagt haben. Es war eine unbeabsichtigte Kränkung, nicht mehr. So viel schulde ich uns beiden. Sie sind einer meiner guten Leute. Ich lasse Sie nicht untergehen, weil …, der Herr aus Wien hüstelte, weil Sie ein wenig müde geworden sind. Wir sind alle müde, da darf man keine endgültigen Entscheidungen treffen. Jetzt gehe ich, nickte er. Morgen bereden wir alles unter ruhigeren Umständen.
    Er sprach leise, seine Muskeln spannten sich, seine Hand glitt in die Jacketttasche und berührte den Messergriff. Wie merkwürdig, in ein paar Augenblicken musste er töten. Der Herr aus Wien war aufrichtig glücklich, dass eine Geschichte so wunderschön zu Ende ging. Er wusste, dass er Kigl umbringen würde.

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