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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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seinen Stiefeln. Ihr habt eure Rechte verspielt, Schön. Die ungarischen Magnaten sind verdorben, sie fürchten und hassen Wien, eure katholischen Priester haben sich auf die Seite der Rebellion geschlagen, euer Adel ist lebensunfähig, euer Bürgertum erbärmlich. Davon rede ich, Schön. Und wovon reden Sie?
    Von Blumen, ich rede von Blumen.
    Und warum reden Sie hier von Blumen?, fragte Vogel.
    Ich … wissen Sie … ich verstehe nur von Blumen etwas. Verzeihen Sie meine Aufdringlichkeit, würden Sie mir verraten, was Ihre Lieblingsblume ist?
    Die Tulpe, antwortete Vogel kaum hörbar, er schloss einen Knopf seiner Uniformjacke.
    Ja, die Tulpe, Imre strich sich über die Schläfe, die Tulpe.
    Machen Sie sich über mich lustig?, fragte Vogel.
    Imre schwieg, er musterte das Gesicht des Offiziers.
    Ich heiße Vogel, sagte der Inspektor.
    Ich verstehe, Herr Vogel. Als würde er die Bemerkung des Offiziers als Ermunterung auffassen, begann er von neuem zu erläutern.
    Die erste blühende Tulpe Europas ist im Garten des Augsburger Bürgers Jan Herwart aufgegangen, und zwar im Jahr 1559. Die Blumenzwiebeln waren ihm von kappadozischen Händlern in handgenähten, mit Wasserkissen ausgepolsterten Ledersäckchen gebracht worden. Oder sollen wir lieber die Annahme akzeptieren, dass der große Busbecq selbst sie ihm geschickt hatte? Sie wissen, wer der große Busbecq war, Herr Vogel? Die Büste des Gesandten Ogier Ghislain de Busbecq, der laut verschiedener Quellen die Tulpe als erster vom Stambuler Hof nach Europa gebracht hat, ist in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts im botanischen Garten von Gent aufgestellt worden. Anlässlich einer meiner Reisen habe ich das Werk selbst besichtigen können. Stellen Sie sich vor, im Blumenbeet vor der Büste blühten keine Tulpen, sondern Rosen und Nelken. Verstehen Sie das?
    Vogel schwieg.
    In Imres Phantasie erschien das windige Gent. Erinnerte er sich richtig, dass er auf dem Hauptplatz der Stadt den Duft des Meeres roch? Doch eines war sicher, in Gent hatte er sich ordentlich verkühlt, niesend und hustend war er durch die verwinkelten Gassen der Stadt gewandert und hatte nichts gerochen. Er rieb sich die Schläfe und redete weiter.
    Keinesfalls richtig ist, dass die Tulpe in den Niederlandenbereits 1570 verbreitet gewesen wäre. Obwohl Clisius das behauptet.
    Imres Augen glänzten heiter.
    In Antwerpen bekam ein wohlhabender Kaufmann zu einem ansehnlichen Posten Purpurseide einen Sack Tulpenzwiebel aus Konstantinopel geschenkt. Der Händler hatte nicht die geringste Ahnung, was für Zwiebeln das waren, somit röstete er sie, als handelte es sich um Gemüse, in etwas Gewürzessig und Öl und verspeiste sie gemeinsam mit seiner Frau. Ist das nicht eine amüsante Geschichte, Herr Vogel?!
    Der Inspektor riss sich zusammen, endlich konnte er sprechen.
    Ich hingegen bin der Ansicht, dass die Ungarn ihre Rechte bereits mit der Wesselényi-Verschwörung verwirkt haben. Eine alte Geschichte, doch noch immer eine offene Wunde am Körper des Reichs. Wir Österreicher achten die Tradition und schöpfen Kraft aus ihr, bei euch ist es gerade umgekehrt. Die Ungarn waren ebenso des Kaisers Kinder wie jedes andere Volk des Reichs, bis sie sich gegen die eigenen Eltern wandten! Ihr habt die Unabhängigkeitserklärung veröffentlicht und auf schändliche Weise die Entthronung der Habsburger verkündet, genau, ausgerechnet zur Zeit der Blüte von Tulpen und Orchideen. Habe ich richtig gesprochen, Herr Schön? Ihr habt eure historischen Rechte verspielt. Ihr habt die Waffe gegen euren Herrscher erhoben, warum sollte solchen Rebellen Gnade widerfahren?! Hat denn unser Kaiser den Völkern des Reichs nicht Frieden, Bürgerrechte und Gleichheit garantiert? Hat er nicht die Leibeigenen befreit?!
    Imre hing seinen Gedanken nach.
    Einmal habe ich geträumt, dass eine kluge Frau in einer abgeschiedenen, fernen Gegend, irgendwo am Ende der Welt, einen Blumengarten angelegt hatte. Doch eines Tages fraßen Rinder, die jeden Morgen und Abend an dem Landhaus vorbeigetrieben wurden, auf dem Heimweg die Blumen ab.
    Was für Blumen?, fragte Vogel.
    Diese Rinder kamen von der Weide, ihr Pansen war voll, und doch fraßen sie die Tulpen, die Narzissen, sogar die stacheligen Rosen ab, sagte Imre.
    Vogel seufzte und machte einige Runden im Zimmer.
    Haben Sie Angst?, fragte er dann.
    Ja, antwortete Imre.
    Wissen Sie, dass ich Sie aufhängen lassen kann?
    Ja, sagte Imre.
    Rebellion, Verrat, Revolution, bewaffneter

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