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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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Zustimmung des neuen Woiwoden bedurfte!

Maijagd
    Die Maijagd war bereits seit Wochen geplant. Nun saß ihnen nicht mehr der widerwärtige Minister Bach im Nacken, der verhasste Beamte war gestürzt, er schlurfte in der Soutane herum, hing am Rockzipfel der Kaiserinmutter und bekreuzigte sich. Doch ein Patriot vergaß nicht. Er vergaß die Furcht nicht und nicht die Kerker, wo noch immer Gefangene schmachteten, er vergaß das vergossene Patriotenblut nicht. Er vergaß nicht, dass man ihnen Rumänen und Juden aufgehalst hatte. Er vergaß nicht, dass … oh, er vergaß nichts!
    Auf unsere Gesundheit!
    Ende Mai gehörte es sich nicht zu jagen, da gab es viele Muttertiere, viel trächtiges Wild. Gejagt werden musste trotzdem. Am Vortag versammelten sich die Herrschaften vor Einbruch der Dämmerung in dem von Heckenrosen umwachsenen Landhaus, das, in der Gesellschaft einiger Pappeln, neben der Budaer Straße versteckt lag. Nach Sonnenuntergang wurden von den Dienern Fackeln entzündet. Einige Herren trafen erst spätabends ein, sie trabten auf prächtig gezäumten Pferden in den Hof, andere fuhren mit Mietdroschken oder Fuhrwerken, wer nicht zu Fuß von einem Nachbargut herüberkam. Alsbald erklang der erste Toast, die Palinkagläser klingelten.
    Auf unsere Gesundheit!
    Aus den Krügen schwappte Wein, ein honigsüßer, starker mit Weichselgeruch. Die Herren tranken auf die Freiheit, auf die Revolution. Auf den Gott der Ungarn. In der Nacht schrie ein Kauz, von den Ställen her hörte man unruhiges Schnauben, ein Jagdhund saß mitten auf der mondbeschienenen Wiese, stumm und reglos. Die Dienstboten servierten gebratenes Fleisch, die Herren aßen.
    Es lebe die Freiheit, auf unsere Gesundheit!
    Es lebe der ungarische Adel, auf unsere Gesundheit!
    Es lebe die ungarische Nation, auf unsere Gesundheit!
    Die Nacht verstrich, der Morgen nahte, wie durch einen Zauberschlag kehrte Leben in die geäderten Blicke zurück. Wer sich schon erbrochen hatte, dem ging es besser.
    Auf die Jagd, auf unsere Gesundheit!
    Die Herren griffen zu ihren Waffen und pfiffen den Hunden, drängten die schläfrigen Treiber zur Eile, sie brachen auf, und einige Minuten später krachten die ersten Schüsse. Eine Wolke von Staren flüchtete aus dem Gebüsch, am Grabenrand lief ein empört kreischender Fasanenhahn. Der davonrennende Hase, das Rehkitz, die aufgeschreckte Waldschnepfe und der Fasan wurden abgeschossen. Und es wurde getrunken, erneut die Kehle ausgespült, prosit, prosit! Sie fühlten sich wieder im Kampfgewühl, auf dem Schlachtfeld, wo die Erde von ungarischem Blut getränkt war. Allerdings hatte nicht jeder von ihnen Gelegenheit gehabt, sich zur Zeit des Freiheitskrieges in der Schlacht zu bewähren, nicht jeder hatte in jenen heroischen Zeiten zum Schwert oder zum Gewehr gegriffen, doch das war jetzt von untergeordneter Bedeutung. Einige Treiber blieben zurück, sie legten das tote Kleinwild in eine Reihe. Einer der Herren trat seinen Bedienten in den Hintern, der Bursche fiel auf die blutigen Tiere, wälzte sich über sie hinweg und grinste einfältig und unterwürfig nach oben.
    Die Herrschaften tranken, wieherten, prosit.
    Sie sahen Bauern, die den Tyrannen begrüßen wollten. Dreckige Bauernlümmel tauchten aus der Tiefe der Nacht vor ihnen auf, der Teufel soll sie holen!
    Auf unsere Gesundheit!
    Ihr bleibt Knechte, nun erst recht, prosit!
    Das dort ist schon die Budaer Straße, sagte einer und spuckte in die Richtung des Lichtstreifens, und was sie nun sahen, verschlug ihnen die Sprache. Die Hunde drückten sich winselnd an die Erde.
    Eine Erscheinung folgte der anderen! War etwa der Himmel eingestürzt?! Nein, nein, überzeugten sich die Herren, es war keine von Palinka und Wein erzeugte Vision, die dort nebender Budaer Straße prunkte! Sie sahen eine Ansammlung von Menschen, auseinanderstrebende, dann wieder verschmelzende Schatten, dann schlugen Funken, Strahlen und Blitze aus der dunklen Gruppe, als würde jemand mit Schießpulver oder Böllern spielen. Nur war das Ganze vollkommen lautlos! Lautlos und dadurch besonders furchteinflößend! Der Tau war zu Nebel geworden, die Lichtbündel durchschnitten das Leinen der Dämmerung, schlitzten den Nebel und die Dunstschwaden auf. Es mochten zwei Dutzend Menschen sein, denen sich die Jäger gegenübersahen, doch zu welcher Sorte sie gehörten, ließ sich nicht feststellen. Die Sonne ging auf, die Sonnenscheibe ließ die Leute schillern und glänzen, sogar der Hain in der Ferne sprühte

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