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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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Der Doktor holte seine Fotomaschine hervor und stellte sie vor den Zwillingen auf. Das kalte, tödliche Glas sah ihnen direkt ins Gesicht. Sie wagten nicht, sich zu rühren. Nun gaben sie Ruhe. Sie holten Luft zur gleichen Zeit und zitterten zur gleichen Zeit.
    Herr Schütz riss den Pfropfen aus der dritten Weinflasche. Sie schlürften wirklich hervorragende Rheinweine, Gilagóg trank den Riesling wie Wasser. Schließlich rückte der Doktor mit seinem letzten Argument heraus. Wenn Gilagóg seine Bitte erfülle, könne er die Geschichte in die Weltgeschichte der Zigeuner einflechten. Doch der Zigeuner sträubte sich, er beharrtedarauf, dass auf keinen Fall gelingen könne, was der Doktor sich ausgedacht habe. In der Feldflur würden Reiter umherstreifen. Sie spürten Wegelagerern, Dieben und Räubern nach! Es gebe dort so viele Ordnungshüter und Gendarmen, wie ein Zigeuner Löcher in der Hose hat! Es genüge einmal zu furzen, dass sie zehnmal zurückschießen! Der Doktor spielte mit dem Korken, schließlich starrte er Gilagóg mit blutunterlaufenen Augen an, er solle ihm vertrauen, er garantiere, dass sie in Sicherheit sein würden. Vor ihm öffne sich auch die rostigste Tür der Stadt, wenn er das wolle.
    So ein Gast kommt da, dass man nicht einmal ausspucken darf, widersetzte sich Gilagóg.
    Auch der König ist nur ein Mensch, Herr Schütz schenkte ein, und zu seiner Ehre sei gesagt, dass er nicht nur den Zigeuner trinken ließ.
    Und wenn jemandem etwas passiert, was wird der Herr Doktor dann sagen?
    Passieren kann einem auch dann etwas, wenn man zu Hause neben dem Ofen sitzt und Däumchen dreht. Ja, es kann sein, dass jemanden etwas passiert, doch wenn ein Haus gebaut wird, ist dann der Arbeiter nicht auch in Gefahr?
    Wenn einem Kind etwas zustößt, was sage ich der Mutter?
    Ich werde es gesund machen, antwortete Doktor Schütz.
    Gilagóg blinzelte schief.
    Auf alles war er vorbereitet, die meisten Argumente hatte er zweimal oder dreimal gehört, doch was jetzt kam, überraschte ihn wahrhaftig. Das vom vielen Wein gerötete Gesicht des Doktors näherte sich dem seinen, der weiße Bart glänzte feucht.
    Ich bitte dich beim Gott der Deutschen, Woiwode, tu das für mich, flüsterte der Alte. Es knackte laut, als Gilagóg den Rücken durchdrückte. Der Woiwode, der kein Woiwode mehr war, hatte schon vom Gott der Ungarn gehört, denn die Ungarn führten ihren strengen Gott oft im Munde. Es war ein trauriger Gott, den die Ungarn da hatten, seit einiger Zeit konnte er nur mehr strafen. Keine Rede davon, dass die Strafe den Ungarn gebührthätte! Gilagóg hatte vom furchteinflößenden Gott der Juden gehört, der eine Sintflut auslöste, Dornenbüsche in Brand steckte und Befehle gab, die nicht auszuführen waren, wenn man leben wollte. Vom Gott der Deutschen war ihm nichts bekannt.
    Wie der Gott der Deutschen wohl sein mag?! Man knurrt Scheiße oder schreit Donnerwetter , und die Welt dreht sich weiter wie ein kaputter Ball?! Sicher hat er einen Zylinder auf. Er hört schöne Musik und sitzt in seinem Amt, von wo aus er die Welt dirigiert. Und am Nachmittag, wenn die Arbeitszeit zu Ende ist, nimmt er gemeinsam mit dem Gott der Ungarn und dem Gott der Juden am gedeckten Tisch Platz, und sie diskutieren bis in die Nacht, wer von ihnen dem Gott der Zigeuner dient!
    Der Gott der Deutschen gebietet nicht über mich, sagte Gilagóg schroff.
    Du hast recht, der Doktor wischte sich das Gesicht ab, dann blitzte es in seinen Augen, wenn du willst, bitte ich dich beim Gott der Zigeuner.
    Den Gott der Zigeuner lassen wir aus dem Spiel, die Miene des Woiwoden verdüsterte sich, er kippte den restlichen Wein hinunter, nun war er es, der sich vorbeugte.
    Doktor, du bist so alt wie ein Knorren, trotzdem ist dein Arm lang und reicht überallhin. Versprich mir, dass du mir meine Tochter findest! Ich will Somnakaj sehen! Wenn du mir das versprichst, bekommst du an jenem Morgen mein Volk.
    Herr Schütz schwieg und kaute an seinem Bart, seine Augen funkelten, als wüsste er, dass Gilagóg schon längst nichts mehr zu geben hatte. Er hatte zwei Zwillinge, die niemand haben wollte, und er hatte einen Wahrhaftigen, den auch niemand haben wollte. Dennoch schadete es nicht, dass er so etwas sagte. Er sollte nur glauben, dass er noch irgendetwas tun konnte, dass er eine Welt, Reichtum und Einfluss hatte. Er sollte nur glauben, dass er es war, der bei der Ankunft von Imre Schön sein Volk in die Puszta führte und dass es dafür nicht der

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