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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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einen so starken Bartwuchs, dass sein Gesicht am Nachmittag bereits schwarz war. Er hieß Pietro und schnitzte, wie schon während seiner Gefangenschaft, fleißig Kerzenhalter, Zahnstocher und kleine Christusfiguren. Adam und Pietro unterhielten sich miteinander wie zwei alte Bekannte. Adam verstand selbst nicht, warum er sich zu ihm hingezogen fühlte, seine Gesellschaft suchte. Pietro blickte mit grenzenlosem Vertrauen in die Welt, es gab kein Ereignis, das ihn aus der Ruhe gebracht hätte. Si, si, lachte er, wenn er von der Bohnensuppe oder den gekochten Kartoffeln weniger abbekommen hatte als die anderen. Er nahm es nicht übel, als man ihn von seinem Schnitzmesser abkommandierte und zum Laubkehren und Holztragen einteilte.
    Dieser Italiener, knurrte Kigl in seinen nassen Bart, dieser Pietro sieht aus, als hätte er ein Geheimnis.
    Was hast du für ein Geheimnis, Pietro?, fragte ihn Adam einmal. Sie standen in einer schattigen Ecke des Burghofs, hinter ihnen, jenseits der Mauer, zog die Theiß dahin. Adam konnte den Fluss riechen. Über ihnen schrie eine Möwe, in der Nähe hämmerte ein Schmied Schwerter.
    Ich habe kein Geheimnis, sondern einen guten Freund, sagte Pietro.
    Und wer ist dein Freund?
    Ein mächtiger Mann, ein Riese, der Italiener zeigte zum Himmel und zwinkerte spöttisch.
    Na so etwas, Adam lachte, du freundest dich mit Riesen an?
    Pietro wurde plötzlich ernst, ich habe geträumt, dass auch du einmal meinem Riesen begegnen wirst. Und das wird dir nicht gut bekommen.
    Soll ich mich jetzt fürchten? Adam lachte.
    Du wirst sterben, sagte Pietro, und als hätten ihn seine eigenen Worte erschreckt, verstummte er und wich weiteren Fragen aus. Schließlich gab Adam den Versuch auf, mehr über den gefährlichen Riesen zu erfahren.
    Ende Oktober spitzte sich die Lage im Süden dramatisch zu, in der Stadt wurde der Belagerungszustand ausgerufen und zur Abschreckung von Spionen, Verrätern und Plünderern das Standrecht eingeführt. Ein schwarzhaariger, magerer Bursche, dessen Gesicht von wildem Fleisch entstellt war, meldete sich beim Morgenappell, er sei gerne bereit, die Serben aufzuknüpfen, wenn es nötig sei. Der Offizier sah ihm ins Gesicht und nickte stumm. Am nächsten Tag fragte Adam den Burschen, was mit seinem Gesicht passiert sei.
    Ich bin gebissen worden, lautete die lakonische Antwort.
    Von einem Hund?, fragte Adam und konnte kaum widerstehen, die Wülste des wilden Fleisches zu berühren.
    Er lebt nicht mehr, sagte der Mann achselzuckend.
    Was bist du denn eigentlich?
    Schinder, sagte der Schwarzhaarige, spuckte aus und lachte Adam an, sei froh, dass du nicht als Hund geboren bist, Mondgesicht! Verzieh dich!
    Nach einigen Tagen kam der Befehl zum Ausrücken. Sie kannten ihr Ziel nicht, und die Offiziere verrieten nichts. So viel ahnten sie natürlich, dass kein Fest sie erwartete, es ging gegen die Serben, und wenn es sein musste, würden sie töten. Oder getötet werden. Es war ihnen keine Zeit zur Vorbereitung, zur Gefechtsausbildung geblieben, viele konnten nicht einmal mit demGewehr umgehen. In den ersten Novembertagen wurden sie an einem nebeligen Morgen aus der Stadt kommandiert, angeblich marschierten sie zum Lager von Kikinda. Auf nassen Schotterstraßen zogen sie Richtung Süden, der kühle Wind riss die Blätter büschelweise ab und häufte sie entlang der Straße auf. Das Robinienlaub hielt noch aus, doch Kastanien, Buchen und Pappelalleen hatten sich dem Frost ergeben und streckten sich kahl in die Höhe. Vielerorts verfaulten von Vögeln angepickte Trauben an den Stöcken. Melonen und Kürbisse lagen auf den Feldern, auch der Kohl war nicht eingebracht worden, herrenlose Rinder und Schafe kreuzten ihren Weg. Wenn sie Glück hatten, gelang es ihnen, eine Kuh oder ein Schwein zu schießen. Adam gefiel es, durch den Nebel zu wandern, er wurde unaufmerksam, und als er gedankenverloren aus der Reihe treten wollte, wurde er angeschrien und weitergestoßen.
    Kigl zischte ihn an, komm schon, oder willst du draufgehen?!
    Die kleine Frau fiel ihm ein, dieser Frosch, dem er sein ganzes Geld gegeben hatte, was mochte jetzt mit ihr sein. Hatte sie sich jemanden gefunden?! Hatte sie ein Kind empfangen, wie versprochen?
    Ein Riese?!
    Ein Riese würde seinem Leben ein Ende machen?!
    Seine Gefährten fluchten, prahlten und sangen. Hin und wieder machten sie Rast, eine Kneipe lag an ihrem Weg, den Wirt fanden sie unter den Säcken in der Speisekammer, sie stießen ihn auf den Hof hinaus und

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