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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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sich an Tod. Weißt du, wie schön Ruinen sein können, Junge?! Ihr habt vielleicht eine andere Meinung darüber, ich jedenfalls sehe die Verschiedenheit von Ruinen. Der Großwesir lief hin und her, Allah, Allah, rief er, schick mir jemanden! Dann höre ich ihn rufen, ah, danke, Allah, hier hat sich ja so ein Tagedieb versteckt! Daraufhin Stille. Und ein Knurren. Fluchen! Es war nur ein vertrockneter Baum, an dessen Stamm man einen abgeschnittenen Arm genagelt hatte. Dort baumelte die traurige Handwurzel ohne ihr Fleisch, nur die Knochen klapperten, wenn der Wind sich erhob und mit ihnen zu musizieren begann. Weißt du, wozu diese Hand diente, Bursche, he? Chroniken und ruhmreiche Ereignisse wurden mit ihr aufgeschrieben! Doch jetzt knarrte sie nur noch, wie ein trockener Ast. Da lief der Großwesir zu einem anderen Menschen, nur war eben auch der kein Mensch mehr, sondern die abgezogene Haut einer Wolke, die an den Stacheln eines Hundsrosenstrauchs hängengeblieben war. Denn die Serben waren alle geflohen, die Kleinen und die Großen, die Alten und die Säuglinge, sie hatten ihre Habe in geräumige Holzkisten und Leinenbündel gepackt und sich auf den Weg nach Ungarn, nach Bosnien oder in die Krajina gemacht.
    Und ich habe für den Großwesir musiziert! Was für Melodien ich gespielt habe, wenn du das gehört hättest, Junge! Er hatte natürlich keine Freude an meiner Kunst, fummelte in seinem feuerfarbenen Bart und blinzelte mit diesen glitzernden Mausaugen. Wem gefällt es schon, wenn ich musiziere?! Dieser Köprülü wollte mir das Fell abziehen, aber so lange habe ich nicht gewartet.
    Nero Koszta holte tief Luft und winkte resignierend ab.
    Nicht zu leugnen ist aber, dass mir ein Frauengeschöpf in Szeged gelegen käme, seufzte er.
    Adam war überrascht, dass der Grasmusikant so viel schwätzte. Wie offenherzig er plötzlich war, der furchterregende Mann, der ihn einmal fast erwürgt hätte, sein harter Griff hatte eine Blumenblüte an Adams Hals hinterlassen. Nero Koszta erhob sich und hielt ihm den vom Speichel glänzenden Grashalm unter die Nase.
    Dieser Grashalm ist von der wundervollen Wagenladung übriggeblieben, die ich 1389 vom armen Fürsten Lazar bekommen habe, damit ich die schönste Flur des Kosovo rette. Wer kann mir einen Vorwurf machen, dass mich der Danica-Stern so weit in den Norden geführt hat?!
    Nero Koszta sah Adam an, als hätte der ihn beleidigt.
    Kurzum, ihr wollt mich sehen?, fragte er.
    Ja, nickte Adam, sie wollen dich sehen.
    Erzähl keine Märchen, die wollen mich gar nicht sehen, widersprach Nero Koszta, doch er ließ sich nur bitten, immer öfter warf er Blicke in die Richtung, aus der Adam gekommen war.
    Wenn du für sie spielst, hören sie dir zu. Vielleicht wird ihnen dein Lied sogar gefallen.
    Blödsinn, brummte Nero Koszta, er ließ seine Knochen knacken und streckte sich behaglich, soll mir recht sein, gehen wir, wenn du unbedingt willst.
    So hielten sie im Lager Einzug, begleitet von den verblüfften Blicken der Wachposten; mitten im Hof machten sie halt.
    Kigl stand neben dem Regierungskommissär, seine Lippen bewegten sich. Adam konnte leicht ablesen, was er Egressy insOhr flüsterte, Kigl wiederholte immer denselben Satz, ich habe es gesagt, ich habe es gesagt. Der Regierungskommissär trat soldatisch vor und deutete auf Nero Koszta, als hätte er ihn dabei ertappt, zu fliehen oder sich zu verstecken, dabei hatte der Musikant überhaupt nicht die Absicht zu fliehen, er blickte neugierig um sich.
    Du!, schrie der Regierungskommissär.
    Ja, ich, sagte Nero Koszta, dann fügte er hinzu, und auch du.
    Wieso ich?!, gab der Regierungskommissär fassungslos zurück.
    Auch du, Gnädigster, und auch ich, brüllte der Grasmusikant.
    Wie kannst du es wagen, woher nimmst du den Mut zu …?!
    Gleichviel, du großer, ungarischer Hauptmann, winkte Nero gelassen ab, geschwind holte er den Grashalm hervor, ließ ihn vibrieren, leckte ihn ab und begann zu spielen. Die Soldaten lauschten gebannt, manche dachten an ihre Kindheit, an ihr Zuhause, an ihre Frau, an eine mütterliche Hand, an niemals wiederkehrende Nachmittage, die nach Milch gerochen hatten, im Rot des ermattenden Lichts waren selbst die absurdesten Träume wahr geworden. Das Musizieren dauerte nicht lange. Nero steckte den Grashalm ein und hielt den verlegen blinzelnden Soldaten eine richtige Rede.
    Nichts für ungut, Herrschaften, aber einigen meiner Brüder ist damals das Fell abgezogen worden! Nicht mal von den Ungarn, es

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