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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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um ihn herum.
    Wird es ein Mädchen oder ein Junge?
    Deine Entscheidung.
    Gut, nickte Adam, also dann Madonna.
    Ist das alles?!
    Adam sah am Gesicht des Grasmusikanten vorbei. Sie soll Struwwelmadonna heißen!
    Die Grasmusik wurde leiser, und als sich Adam schließlich umblickte, sah er, dass Nero Koszta vor dem Mädchen tanzte, die Arme erhoben, seinen starken Rumpf im Kreise drehend!

Endlich sehen sie mich!
    Vor Adam wartete eine hünenhafte Gestalt, der dicke Schreiber notierte alles mit größter Sorgfalt, Namen, Alter, Herkunft und Wohnort waren verständlich anzugeben, das glückte nicht jedem beim ersten Versuch, zum Beispiel auch dem Riesen nicht. Der Schreiber wischte sich ärgerlich seine schweißglänzende Stirn ab.
    Nuscheln Sie nicht, reden Sie verständlich, ungarisch! Hören Sie, brüllen Sie nicht, reden Sie ganz ruhig!
    Endlich hatte der Mann alle Fragen beantwortet, und der Schreiber schickte den zum Nationalgardisten Avancierten mit einem kurzen Wink zur Waffenkammer, die gewaltigen Stiefel stampften zornig davon. Nachdenklich starrte Adam dem ungeschlachten Kerl mit den unwahrscheinlich breiten Schultern nach, irgendwoher kannte er den Mann.
    Das war ein Schiffsbesitzer, wurde geflüstert, ein berühmter Schiffsbesitzer!
    Er war es doch, der ihn mit den Hüten gesehen hatte, oder nicht? Das war doch Berger, dem ein gewaltiger Wels ein Loch in den Boden seines Kahns gebissen hatte! Berger hatte die Bestie gepackt und am Schwanz aus dem Wasser gezerrt und ganz allein verspeist. Seit Jahren hatte er Jagd auf den Wels gemacht, der sein Konkurrent gewesen war! In einem Gasthausder Oberen Stadt ließ er ihn braten, dann aß er an ihm drei Tage lang. Das Rückgrat des Fisches rammte er ins Flussufer wie als Zeichen. Adam lächelte über das ungereimte Zeug, er trat zu dem Kleiderhaufen. Schuhwerk, Röcke und Hosen bekam die Kommandantur von den örtlichen Handwerkern, für die Rekruten gab es nur selten Kleidung in passender Größe. Auch er verbrachte Minuten mit dem Auswählen und fand kaum etwas Rechtes. Viele behielten ihre eigenen Kleider an, die geflickte Jacke oder den gefütterten Überrock, andere zwängten sich in die Attila, eine enge, unangenehme Bekleidung. Fröhlich und entschlossen waren trotzdem alle. Kokarden und rote Schnüre verkauften sich gut.
    Adams Wesensart verwunderte seine Vorgesetzten. Wenn er schwerverwundete Kameraden sah, einen Nationalgardisten mit zerfetztem Brustkorb, der, fast noch ein Kind, nach Atem rang, oder einen älteren Mann, dem eine Kartätsche die Füße abgerissen hatte, zeigte er kein Mitleid und kein Bedauern, spendete auch keinen Trost. Mit regloser Miene betrachtete er noch die grauenvollste Verstümmelung. Er setzte sich auf einen Stapel Ziegelsteine, legte das Gesicht aufs Knie und verharrte lange so, als würde er träumen. Er träumte in der Tat. Er hatte es verpatzt, damals, als er mit Klara nicht einfach davongerudert war, sondern sie ans andere Ufer gebracht hatte, zu ihrem toten Vater. Es war eine dumme, eine kindische Sehnsucht gewesen, das wusste er nur zu gut.
    Am nächsten Tag lief Kigl ihm über den Weg. Der Sohn des Redakteurs hatte sich einen Bart wachsen lassen, sein schwarzes Haar fiel ihm auf die Schultern. Naze Kigl war gealtert, als hätte er in den letzten Jahren große Entbehrungen gelitten. Adam freute sich nicht besonders, ihn zu sehen, doch er erwiderte die Umarmung. Immerhin hatte sich jemand gefunden, mit dem er reden konnte, ohne sich auf Erklärungen einlassen zu müssen. Er erfuhr, dass Kigl sich juristischen Studien widmete und dass Pukker und Schubert nicht mehr lebten. Den unglücklichen Pukker hatte es noch im Frühherbst in der Hölle Südungarnserwischt, und Schubert war bei Pákozd mit einer Kugel in der Lunge erstickt.
    Als Adam zum ersten Mal in der Burg war, stellte er fest, dass sie von außen viel größer aussah. Innen war alles einfach und erschloss sich von selbst, die als Quartier vorgesehenen Ställe, die Mauern, die Labyrinthe der Kasematten und die Kerker und auch die prasselnde Küche, die zu seinem ständigen Aufenthaltsort werden sollte. Eines Morgens begegnete er im Hof einem Italiener, der seinen Gefährten nicht nach Italien gefolgt war. Die italienischen Gefangenen waren von Kossuth befreit worden, sie stürmten entweder geradewegs nach Hause oder blieben, um Seite an Seite mit den Ungarn zu kämpfen. Doch diesen Italiener interessierte das Kriegführen nicht. Er hatte dichtes, zottiges Haar und

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