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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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Kigl mit dir gesprochen hat, sagte Imre.
    Adam geriet vollkommen in Verwirrung, er wurde rot, eine Narbe auf seiner Stirn spannte, als wollte sie wieder aufbrechen. Seine Gedanken rasten hin und her. Hatte ihn der Krieg in einen so jämmerlichen Zustand gebracht? Andere, die ebenso wie er auf der Bühne der Vernichtung herumgeirrt waren, konnten dennoch in der Nacht im wohltuenden Bewusstsein die Augen schließen, dass es, wenn der Albtraum vorbei war, einen Ort gab, wohin sie zurückkehren konnten! Andere wurden von der Familie erwartet, von der Frau, den Kindern. Um andere wurde gebangt, glattrasierte junge Männer in der Uniform des Nationalgardisten, gestandene Männer im großen Abenteuer ihres Lebens hatten die Illusion, dass ihre Frauen am Fenster saßen, auf die ausgestorbene Straße hinausstarrten und auf sie warteten! Und dann, wenn sie angekommen waren, würde es sofort ein warmes Essen geben, ein frisch gemachtes Bett und Liebe! Der Krieg machte aus der Erinnerung an zu Hause eine fixe Idee. Er hatte kein Zuhause, von dem er hätte träumen können. Und wenn auch Klara auf ihn wartete, was für eine andere Art Warten war das. Zu Klara konnte man nicht heimkehren! Was dachte sie eigentlich?! Dass ihm Eisen, Feuer und Kälte nichts anhaben konnten?! Mit großen Augen betrachtete sie seine Narben, seine verletzte Hand, und dann redete sie einfach nur so mit ihm, als würde sie zu einem Traum sprechen. Und er dachte daran, dass der Verliebte auch in sein eigenes Gefühl verliebt ist. Er wollte nicht mit Imre Schön reden. Was hatten sie einander zu sagen?!
    Das Husten seines Gegenübers riss ihn aus seinen Gedanken, das braune Augenpaar verbrannte ihm geradezu das Gesicht. Imre kam ihm ganz nah.
    Du, sagte Imre Schön, bist mein Bruder.
    Adam blickte starr, er sagte nichts.
    Wir haben denselben Vater.
    Denselben Vater?!
    Antal Schön ist auch dein Vater.
    Und wenn schon − was geht mich das an?!
    Dein ganzes Leben stellst du immer dieselbe Frage, stieß Imre hervor, was geht mich das an? Was habe ich mit dem Leben dieses oder jenes Menschen zu tun, und dabei sehnst du dich mit zusammengebissenen Zähnen nach einem Zuhause. Du öffnest eine Tür, doch nie willst du sie hinter dir zumachen − nur damit du jederzeit wegrennen kannst!
    Serbische Kriegsgefangene, die Hände auf dem Rücken gefesselt, wurden durch den Hof geführt. Einer hinkte, er schleppte sich mühsam dahin. Die Wachsoldaten schrien, teilten grobe Stöße und Schläge aus, der Hinkende bekam am meisten ab, und als er zusammensackte, wurde er getreten. Ein junger Franziskanermönch kam angelaufen, er wies die Grobiane zurecht, die verlegen vor dem stöhnenden Serben standen, schließlich stellten sie ihn auf die Beine.
    Adam sah an Imres Stirn vorbei, und als würden ihn die Schreie und Schmerzenslaute überhaupt nicht stören, begann er zu reden.
    Ich bin einmal in der Nacht aufgewacht, und der Schatten meines Vaters ragte vor mir auf. Als hätte er vor, mich umzubringen. Ich wagte nicht, mich zu rühren, doch er tätschelte mir nur die Wange und bat mich, bei ihm zu schlafen. Ich verstand nicht, warum er das wollte. Meine Mutter lebte nicht mehr. Es stimmt nicht, dass mein Vater mich nicht geliebt hat. Er wollte mich nur nicht zur Kenntnis nehmen. Warum soll ich bei dir schlafen?, fragte ich, und vielleicht war ich auch erschrocken, als er sich so über mich beugte. Damit du mich riechst, sagte er, ja, genau das war es, was er sagte. Ich verstand nicht, was das sollte, aber ich gehorchte. Ich folgte ihm zitternd und schlüpfte zu ihm ins Bett. Eine Fremdheit wie diese damals habe ich mein ganzes Leben nicht wieder empfunden. Es war fremd, aber trotzdem gut. Und dann sprach jemand mit der Stimme meines Vaters in die Dunkelheit hinein.
    Adam, ich bin nicht dein Vater!
    Ich glaubte zu träumen. Wenn ich später das Gespräch darauf brachte, tat er so, als wüsste er nicht, wovon ich spreche. Später verstand ich, was er wollte. Er hat mir seinen Namen gegeben, aber haben wollte er mich nicht. Vielleicht war das ganz anständig von ihm. Ich verstehe von diesen Dingen nichts. Hätte er noch einmal gesagt, dass er nicht mein Vater ist, hätte ich ihm geglaubt. So aber hielt ich es damit wie mit den Märchen, die nur einmal passieren, jedoch oft erzählt werden müssen, um zu Märchen zu werden. Ich glaubte nicht an diese Geschichte, aber ich fand sie unterhaltsam.
    Jetzt sage ich es dir, sagte Imre, sein Gesicht war noch schmaler geworden.
    Nein,

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