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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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er sein letztes Fass Wein und das restliche Brot herausrückte, um ihn dann in die im Frühlingslicht bläulich schimmernde Steppe hinauszujagen. Hinter der Straßenbiegung fanden sie einen ausgeraubten jüdischen Laden, in der Speisekammer standen einige Körbe Honig für den Winter, Säckchen voller Grieß, Kekse, schimmeliges Brot. Der Besitzer war nirgends zu sehen, doch am Rand des Gartens erhob sich ein frischer, schwarzer Erdhügel. Adam fragte sich, warum man den Unglücklichen, wenn man ihn schon umgebracht, auch gleich vergraben hatte. Vielleicht war Zeit dafür gewesen. Sie stießen auf eine greise Serbin, die in einem Hof auf der Erde lag. Einmal hatte eine solche Hexe ihrem Kameraden in den Arm gestochen, deshalb näherten sie sich vorsichtig. Aus dem Haus des serbischen Priesters war alles fortgeschafft worden, ob von Ungarn oder von Serben, ließ sich nur raten. An der Wand des Wohnzimmers hingen einige Gemälde, die hatte niemand brauchen können. Es waren alte Ölbilder, lauter Porträts, die Abbildungen serbischer Helden, die hatten sie nicht mitgenommen, aber durchlöchert, die Leinwand aufgeschlitzt. Lange betrachtete Adam die Zerstörung. Alle Stiche hatten auf die Augen gezielt. Er hörte Musik, wandte sich rasch um, doch Nero Koszta war bereits fort.
    Am Unabhängigkeitstag wurden sie zurück in die Stadt beordert, die Mehrzahl der Soldaten bekam Ausgang. Adam hätte die Burg in jedem Fall verlassen, vor den Augen der Wache hätte er durchs Tor spazieren können, doch nun hatte er auch die Erlaubnis dazu. Er eilte in die Schwarzer-Adler-Straße und musstenicht lange warten, bis Imre Schön aus dem Haus trat. Klaras Ehemann holte tief Luft und entzündete mit gemessenen Bewegungen seine Zigarre. Dann, wie eine Erscheinung, tauchte auch Klara auf, sie hakte sich bei ihrem Mann ein. Adam erbebte, doch er folgte ihnen wie ein Schatten. Er wusste, Klara interessierten Feste wie diese, der Trubel und das bunte Treiben, wenn alle in Taumel gerieten und glücklicher wirkten, als sie tatsächlich waren.
    Wen kümmerte es, dass das Eis unter dem festlich gekleideten Leben Risse und Sprünge bekam? Die Hoffnung berauschte sich und begann einen Tanz mit ihrem eigenen Schatten, wie auch der Mensch am liebsten tanzt, wenn er nicht darf. Konnte man auf die Märzverfassung der Österreicher, die Ungarn auf die Ebene der Kronländer herabsetzte, anders antworten als mit Entthronung und einer Unabhängigkeitserklärung?! Sie hatten keinen König mehr! Fackeln loderten in der Stadt, die Menge wogte in den Straßen, auf den Plätzen ergriffen Gelegenheitsredner und -dichter das Wort, das Königtum wurde höhnisch verabschiedet und geschmäht, man ließ die Republik hochleben, Feuerschlucker, Jahrmarktsclowns und Musikanten unterhielten ihr Publikum. Bratwürste und eilig hingeworfene Karikaturen wurden verkauft. Klara ließ sich von ihrem Mann Schokolade schenken, und wenn sie ein kleines Kind sah, hielt sie ihm lachend das Tütchen hin.
    Adam fühlte sich als Teil ihrer Familie, ihrer Träume, und seltsamerweise beschränkte sich diese Neigung nicht auf Klara, sie galt auch ihrem Mann. Er beschleunigte seine Schritte, um sie nicht aus den Augen zu verlieren. An einer Seitengasse bog er vom Hauptplatz ab und wandte sich bei der nächsten Kreuzung wieder nach links, um ihnen entgegenzukommen. Sie waren nirgends zu sehen, verwirrt blickte er um sich und rempelte einige Schaulustige an. Gereizt wies man ihn zurecht, es kümmerte ihn nicht. Ein Bekannter grüßte ihn, er schob ihn zur Seite. Du sollst nicht hassen, das darf man nicht! Im Fenster eines strahlend hell erleuchteten Bürgerhauses winkten Mädchenmit Kerzenleuchtern, unten entrüstete sich ein Herr mit Zylinder, er säuberte seinen Mantel, den der Talg mit weißen Blüten gemustert hatte. Adam drehte sich entsetzt im Kreise, er hatte sie verloren. Er musste die Augen schließen. Klara stand eine Armlänge von ihm entfernt. Sie sah ihn an, ein wenig bedauernd, mit schalkhaftem Blinzeln, dann lächelte sie so breit, dass ihr Zahnfleisch zum Vorschein kam. Klara war weiß wie ein Engel aus einer Schülervorstellung. Ihr Rock bauschte sich glockenartig, schwarze Seidenrüschen liefen den unteren Saum des Kleides entlang, das sich wie ein leichter Umhang über die Schultern legte. Das Haar quoll in Locken unter dem blumengeschmückten Häubchen hervor. Imre wandte sich ab und nahm einen Zug von seinem Zigarillo. Klara trat näher.
    Sicher wird es einmal anders

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