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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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ging sie abermals hinaus, es war, als würde sie in einen anderen Tag, in einen anderen Monat hinübertreten, wie wenn man aus der Wärme des Hauses in den Schneefall hinaustritt. Später brachte sie den Duft von Vanillegebäck und Zichorienkaffee mit und nahm, ihren Rock glattstreichend, Adam gegenüber Platz.
    Tränen traten ihr in die Augen, ihr Blick wurde zornig, er brannte, sie schlug mit der Faust in die Luft und ging lange auf und ab, wie jemand, der mir schweren Anschuldigungen ringt, und sie sprach sie auch aus, Adam, sagte sie, habe sie in Angst und Schrecken versetzt, sie verraten! Er senkte den Kopf, Klara hatte recht, dann sah er doch wieder lachend auf, schließlich lachten sie beide, sie müssten eben von nun an mit diesen schauerlichen Dingen leben!
    Klara war bleich geworden, ihr Gesicht eingefallen, sie bekam dunkle Ringe unter den Augen. Fieber und Schmerzen quälten sie. Sie hustete, ein leeres Döschen entstand in ihrer Brust, an das klopfte der Tod. Und Adam brachte sie zum Arzt, und er sah, wie die alten Finger von Doktor Schütz auf den weißen Schultern und den Rippen Klavier spielten, sich dann krümmten und auf die Bauchwand trommelten. Klara war gesund, denn sie rief, jemand solle doch für sie Klavier spielen! Und sie würden auch ins Theater gehen, Arm in Arm, seriös, in aller Form! Und rauschende Feste würden sie besuchen! Und wunderbare Schlachtfeste! Und auf den Friedhof gehen! Und auf den Ball! Überallhin!
    Sie liebten sich, er aß ihr Fleisch, saugte Blut daraus, biss an ihrem Schoß herum, drang mit ungeschickten Bewegungen in sie ein, er sah sich und schämte sich, worauf sie sich auf ihn wälzte und auf ihm ritt, dann beugte sie sich über ihn, nahm ihn in den Mund, saugte den Samen heraus.
    Soviel Zeit war vergangen, das waren schon vergreiste, zittrige Bewegungen!
    Da hatte sich ja ihr ganzes gemeinsames und mögliches Leben gezeigt!
    Er lachte entsetzt, sie stimmte glockenhell ein.
    Herrgott, was verstreicht hier, was für ein Schatz verrinnt, was für Schatten tanzen miteinander?! Dann verstand er, auch wenn er sich von hier entfernte, wenn er aus diesem Haus trat, ging das Leben weiter. Mit ihnen blieb alles, wie es war, er spürte die wunderbare Ruhe und Sicherheit, die er nie zuvor, nirgends sonst gespürt hatte, doch wenn dieser andere Mensch neben ihm war, wusste er, dass so eine Welt existierte und dass es in dieser anderen Welt so eine Geschichte gab. Klara war sein, gehörte ihm ganz allein!
    Schon gut, schon gut, beruhigen Sie sich, Klara stand auf, wissen Sie, ich habe meine Mutter sterben sehen, und mir war klar, dass ich nie mehr würde leben können wie zuvor.
    Sie winkte ihm, er solle ihr ins Kinderzimmer folgen, als er eintrat, hatte sie den Kleinen schon auf den Arm genommen.
    Das ist er, sagte sie.
    Adams Finger tasteten nach dem Glas, das er immer bei sich trug, auch im Schlaf hielt er es umklammert. Während er das Gesicht des schlummernden Kindes betrachtete, das Glas mit der toten Leibesfrucht in der Hand, dachte er, dass auch sie, die Kinder, zusammengehörten.
    Er sieht aus wie … wie eine Blüte.
    Klara lachte. Nehmen Sie ihn, Sie Feigling!
    Und Adam hielt das Kind ängstlich im Arm.
    Ich bin der Vater, fragte er schließlich, ich?
    Wissen Sie, was ich geträumt habe?, lachte Klara, ich habe geträumt, dass ich die Wunden auf Ihrem Körper zähle! Ich hatte geglaubt, Sie sind unverwundbar. Ihre Stimme bebte. Dann musste ich sehen, wie viel Schreckliches mit Ihnen geschehen ist.
    Ich habe immer Glück gehabt, sagte Adam.
    In meinem Traum habe ich sämtliche Narben und Male gezählt, die kleinen und die großen. Und während ich zählte, verschwanden manche Wunden, andere wurden wieder frisch, Klara lachte glucksend. Wie die unschuldigen Blumen auf derWiese! Auf Hals, Rücken und Bauch öffneten sich Wunden. Ich fing wieder von vorne an, ich erinnere mich gut, von Ihrer Schulter lief eine fingerdicke Narbe abwärts. Dann war sie plötzlich verschwunden. Sie bluteten unterhalb der Brust, dort hatte sich eine Schnittwunde geöffnet! Und auf einmal brauchte ich nicht mehr weiterzuzählen! Weil ich es wusste, ich wusste es! Sie haben dreiunddreißig Wunden am Körper, Adam, genau dreiunddreißig, nicht eine mehr, nicht eine weniger. Doch es gibt eine Wunde, die ich nirgends finden kann!
    Was bedeutet das, stotterte Adam, das bedeutet, dass …?
    Mein kleiner Jesus, mein kleiner Jesus, Klara kam ihm ganz nah, Adam spürte ihre Brust, ihre Stimme gurrte,

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