Blumenfresser
totgeschlagen. Adams Trupp traf verspätet ein. Doch er sah noch die Raserei der Burschen und das panische Entsetzen der Deutschen, die sich in ihrem Blut wälzten.
Am Vortag hatte Adam in den Ruinen des explodierten Munitionslagers von früh bis spät Tote, verstümmelte Körper, menschliche Überreste geborgen. Eine schreckliche Verwüstung bot sich seinem Blick, rauchende Trümmer, wie Streichhölzer entzwei geknickte Balken, abgerissene Dächer, Steinhaufen, blutige Büschel. Nach der schrecklichen Explosion taumelten alle benommen umher. Zuerst hatten sie geglaubt, Gott sei über sie gekommen, der Jüngste Tag sei angebrochen. Die Theiß hatte minutenlang getobt und mit schwarzem Schaum das Ufer bestürmt. Fast tausend Menschen kamen innerhalb weniger Augenblicke um, noch nie war, wie man später feststellte, ein solches Unheil in so kurzer Zeit über die Stadt hereingebrochen. Das zerstörte Lager hatte auch als Lazarett gedient, unzählige österreichische und ungarische Verletzte, Wachsoldaten, Transporteure und zivile Arbeiter kamen ums Leben. Die Explosion war so heftig gewesen, dass sämtliche Kähne am Stadtufer kenterten, sie begrub die Wagen und das Vieh des Wochenmarktes und drückte auch in weiter entfernten Straßen die Fensterscheiben ein, Pferde gingen durch, mehrere Kutscher stürzten vom Bock, einer von ihnen brach sich den Hals.
Noch nach Stunden kreisten erschreckte Vogelscharen über der Stadt.
Adam zählte die Toten nur so lange, bis er ein vom Rumpf abgetrenntes, gestiefeltes Bein aus dem Geröll zog.
Verfluchter Scheißdreck!, sagte er.
So ein verfluchter Scheißdreck!
In der Nähe bückte sich eine struppige Frau mit verstörtem Blick, sie kam ihm seltsam bekannt vor. Als Adam sie anrief, entfuhr ihr ein Kichern. Er stolperte über die Trümmer, packte ihren Arm und sah ihr ins Gesicht. Sie erwiderte seinen Blick mit knisterndem Hass, und da erkannte sie.
Mörder, Mörder!, zischte die Frau.
Adam riss das kleine Glas mit dem Embryo hervor.
Meinst du das?! Glaubst du, es tut nur dir weh?! Nur dir ist ein Leid zugestoßen?!
Die Frau jaulte auf, spuckte nach ihm und trollte sich. Er setzte sich auf einen riesigen Stein und sah sich blinzelnd um, viele der in den Trümmern Umhertappenden waren betrunken und grölten rohe Lieder, nüchtern war diese Arbeit nicht zu ertragen. Ein Bursche hörte auf zu graben, er verneigte sich immerwieder vor der seltsam verrenkten Leiche einer jungen Frau, als würde er sich ihr ohne Ende vorstellen. Ein anderer übergab sich. Adam dachte an Klara. Was würde er dafür geben, sie noch einmal zu sehen!
Die Stadt wurde gegen Norden und Westen von einem Schanzensystem geschützt, das im Bogen von Tápé über Dorozsma zurück zur Theiß verlief. Die feindliche Hauptmacht unter Haynaus Führung zog von Kiskunfélegyháza bereits Richtung Szeged wie ein großer, schwarzer Schatten. Der linke Flügel unter Feldmarschall-Leutnant Schlick rückte von den Weingärten Cegléds über die Stadt Szentes vor. Der rechte Flügel marschierte von Kiskunhalas nach Süden, um die tödliche Umarmung zu vollenden.
Die ungarische Streitmacht bestand aus drei Korps und einer selbständigen Division, die Soldaten waren größtenteils schon vom Feldzug im Norden abgehärtet, wo sie heilende, doch für immer schmerzende Wunden davongetragen und Leben ausgelöscht hatten. Doch auch zahlreiche blonde, hellhäutige polnische und klangvoll sprechende italienische Legionäre kämpften an ihrer Seite, ehemalige Kasemattenbewohner, Vorkämpfer des republikanischen Ideals, und natürlich auch ungarische Soldaten aus dem Süden, die, wenn schon nicht ausgebildet, so doch erfahrener waren als alle anderen, Feuerregen, Kartätschen und Kanonendonner erschreckten sie nicht mehr zu Tode, höchstens wachten sie nachts schweißgebadet auf und zitterten vor Kälte, als sollte ihnen nie wieder warm werden. Doch frühmorgens legten sie lärmend Fußlappen und Stiefel an und gurgelten beim Sonnenaufgangsschnaps um die Wette.
Der Oberkommandierende wurde Henryk Dembinski, von dem seine Kameraden noch weniger hielten als vom Feind. Es gab Soldaten, die spuckten aus, als sie den Namen des neuen Befehlshabers erfuhren. Adam interessierte nicht, wer kommandierte. Einen Befehlshaber würde es immer geben, ob sie nun siegten oder besiegt wurden.
Er stahl sich in die Schwarzer-Adler-Straße, während seineKameraden sich zum Übersetzen bereitmachten. Szeged war nicht länger zu halten. Mit
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