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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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nur, methodisch und zielstrebig.
    Im Frühling vierunddreißig geschah etwas, das seiner zunehmenden Selbstsicherheit einen Schlag versetzte und das stolz wachsende Gebäude seines Lebens erschütterte. Es war Nachmittag, und er ging vom Markt Richtung Kapellenplatz, an diskutierenden deutschen Bürgern vorbei, ein Stück weiter feilschten ein paar Serben leise und leidenschaftlich. Einer von ihnen trat mehrmals gegen einen Sack, Mohn rieselte auf die Erde. Peter schritt verträumt weiter, er genoss den lauen Sonnenschein und hätte fast seinen Vater umgerannt. Antal Schön stand vor der Apotheke, er unterhielt sich mit Doktor Schütz, war aber schon dabei, sich zu verabschieden. Der Doktor hielt ihn nicht auf, lüftete ein wenig seinen Zylinder. Peter machte kehrt, um sich unbemerkt zu entfernen, da fühlte er eine Hand auf seiner Schulter. Sie ist schön verheilt, sagte der Doktor, während er die Narbe am Mund des Burschen betrachtete, der bereits größer war als er selbst, dann deutete er mit den Augen auf Antal Schön, du siehst auf ihn herab, nicht wahr?
    Lassen Sie mich, Herr Doktor!
    Du siehst nicht nur auf ihn herab, du verachtest ihn, der Doktor säuberte sein Binokel. Peter packte die Wut.
    Was mischen Sie sich ein?!
    Du hasst ihn?
    Lassen Sie mich in Ruhe!
    Das kann ich nicht, der Doktor schüttelte theatralisch den Kopf. Es macht mir Sorgen, wenn Menschen nicht achtsam genug sind. Ich ahne, dass du hinsichtlich deiner Zukunft ernsthafte Entschlüsse gefasst hast. Gut so! Doch deine Sehnsüchte haben sich vielleicht zu sehr in den Vordergrund gedrängt, deshalb siehst du gerade das nicht, was du unbedingt sehen solltest. Mein Lieber, man muss nicht nur das sehen, was man sehen will. Schau sie dir an, mein Sohn, die Stimme des Doktors war tiefund freundlich, Peter gehorchte verlegen, er sah in die Richtung, die ihm der Spazierstock des Alten wies.
    Sein Vater war nicht weit gekommen, er unterhielt sich mit einer Bekannten. Die Dame hielt ein blasses kleines Kind an der Hand. Peter kannte sie, es war die Frau von Richter Pallagi, geborene Mária Báthory, die farblose Tochter eines dummen Adeligen. Der Richter war der beste Freund seines Vaters, ein unterhaltsamer Erzähler, unerschöpflich war sein Schatz von Anekdoten aus der Zeit Maria Theresias, Kaisers Josephs, den man als den König mit Hut verspottet hatte, und Napoleons. Pallagi war anders als sein trockener Vater, und Peter verstand nicht, wie eine Freundschaft zwei so verschiedene Männer verbinden konnte. Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete er den Vater und die Frau und verstand nicht, was der Doktor meinte. Warum sollte der Vater nicht mit der Frau seines Freundes reden?! Selbst wenn man in Betracht zog, und das gab ihm jetzt zu denken, dass er den Vater und den Richter in letzter Zeit nicht mehr zusammen gesehen hatte.
    Die Haltung des Vaters veränderte sich plötzlich, sein Mund näherte sich ihrem Hals, sprach hastig, mit nie an ihm bemerkter Leidenschaft, und er berührte fast Mária Báthorys Haut. Ja, ja, vielleicht hatte er sie sogar geküsst! Sie schüttelte den Kopf, presste die Lippen zusammen, worauf der Vater sie am Arm packte. Peter geriet in Erregung, oh, was machten denn die?! Die Frau rang nach Atem, sie sagte nichts, entzog sich ihm nicht, und jetzt wischte sich auch schon der Vater die Augen. Das kleine Kind beobachtete sie mit offenem Mund. Antal Schön wollte davonstürmen, wie um aus der Welt hinauszulaufen, doch er überlegte es sich anders, der Blick des Kindes folgte jeder seiner Bewegungen.
    Nicht sein Vater, ein unbekannter Mann sprach zu der schluchzenden Frau, ein Unbekannter beharrte auf seinen Argumenten, flehte und drohte. Peter hatte geglaubt, er könne die ganze Welt hereinlegen, und währenddessen führte ihn derjenige an der Nase herum, den er am wenigsten achtete. Was füreine Demütigung! Er geriet in Wut, er hätte sie am liebsten umgebracht! Und wie sehr er sich später auch bemühte, mit Herrn Schütz diesen Vorfall zu klären, der Doktor antwortete immer ausweichend: Er wisse schon selbst nicht mehr, ob diese absurde Geschichte wirklich geschehen oder nur seiner Phantasie entsprungen sei.
    Sein langweiliger, wortkarger Vater hatte eine Geliebte!
    Und das bleiche kleine Kind war sein Halbbruder!
    Die Jahre vergingen, und Peter wusste nicht mehr, ob der Doktor ihn in die Familientragödie eingeweiht hatte, ob er von ihm wusste, dass die Frau krank war und nur noch Monate zu leben hatte, und dass der

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