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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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eigenen Körper konnte er trauen, so ungebremst wuchsen seine Kräfte. Jeden Tag musste er von neuem lernen, was er tun durfte, mit welchen Bewegungen er Schaden oder Verletzungen verursachte, und die Seele wandelte unruhig in der zügellos wachsenden Fleischmasse umher. Am Abend hatte das Hemd noch gepasst, am Morgen riss es auf seinem Rückender Länge nach entzwei. Innerhalb eines knappen Monats wuchs er aus Schuhen und Stiefeln heraus, der Hosensaum schlackerte oberhalb der Knöchel, der Jackenärmel trauerte beim Ellbogen. Er wurde groß und ungeschlacht, Pickel zierten sein Gesicht, in dem bald kräftige, schwarze Haare überhandnahmen. Einige aufgekratzte Furunkel hinterließen dauerhafte Spuren auf der Haut. Dichte Behaarung überzog seinen ganzen Körper.
    Im Frühsommer des Jahres 1823 flatterte die Mutter mit ihrem Geliebten davon, und der gebrochene, in tagelanges Schweigen versinkende Vater schickte Peter oft weit fort zu Verwandten. Sicher deshalb, weil er ihn aus den Augen haben wollte. Imre durfte natürlich bleiben. Von nun an verbrachte Peter lange Wochen in verschiedenen Gegenden der Tiefebene, an der Theiß, in Szolnok, in den sandigen Fluren Kleinkumaniens, in Pest, am Balatonufer. Bei diesen Ferienaufenthalten, in drückenden Sommern und grimmigen Wintern, bei verschrobenen Onkeln, die noch Napoleon gesehen hatten, sammelte er die wichtigsten Erfahrungen. Kampfeslustige Tanten begannen den ersten Morgen mit Gardinenpredigten und dem Verkünden der im Haus geltenden Gesetze, denn dem Kind ging ein Ruf voraus, doch bald mussten sie erfahren, dass der schreckliche kleine Junge sich an keinerlei Gesetz hielt. Am nächsten Tag sagte bereits er den Gärtnern und Stallburschen, was sie zu tun hatten, und schäkerte mit den Mädchen in der Gartenküche, oft blieb nachts sogar sein Bett leer, weil er bei den Tagelöhnern in der Scheune schlief. Zuweilen sah ihn das Morgengrauen in Flurwächterhäuschen oder Hochsitzen. Man wollte ihn heimschicken, in die erste Postkutsche setzen, doch er erlegte sich selbst die Strafe auf, Zimmerarrest mit Schreibübungen und lautem Vorlesen, doch bald fand man das Zimmer leer, und Geschrei aus dem Hof kündete davon, dass der junge Hahn sich wieder zu den Hennen geschlichen hatte.
    Er machte viele Krankheiten durch, litt an Fieber, Blutvergiftung, einen Monat lang peinigten ihn von Zecken hervorgerufene Schüttelkrämpfe, und er erkrankte bei der Choleraepidemie von einunddreißig. Doch jedes Mal wurde er wieder gesund und verließ das Bett kräftiger als zuvor.
    Er entschied, dass die Welt sich mit ihm abfinden und jeden seiner Missgriffe ertragen oder sich die Mühe machen solle, sich vor ihm zu schützen. Er würde sich keine Sorgen mehr machen, was er anrichtete. Das beichtete er auch, und als ihn der Priester tadelte, versprach er, auf die Welt achtzugeben. Mitnichten gab er auf sie acht! Warum sollte er irgendetwas anders machen, wenn es so besser für ihn war?! Wenn er sich anschickte, vom Tisch aufzustehen, lauerte man sprungbereit, um das Tischtuch zu erhaschen, das er samt dem Frühstück mit sich riss. Er bat nicht um Verzeihung, sondern lächelte nur einfältig. Dem Onkel aus Szolnok, der einen männlichen Händedruck schätzte, schüttelte er die Hand und blickte unschuldig in das rot anlaufende Gesicht. Beim Mittagstisch löffelte der Alte die Fleischbrühe dann mit der linken Hand, sein rechter Arm hing leblos am Körper. In der Stadt zwischen Fisch- und Gemüsehändlern umherstrolchend, interessierte es ihn nicht, wenn hinter ihm Körbe und Säcke umstürzten, er kniff kindlich die Augen zusammen, ei, wie sind denn die zappelnden Karpfen aufs Pflaster geraten, sie können ja nicht bis hierher geschwommen sein?! Schrie man ihm zornig hinterher, kehrte er um. Er entschuldigte sich nicht, aber er half jungen Mädchen, die verstreuten Birnen und Äpfel einzusammeln, und wenn der Korb wieder voll war, tippte er der Göre vorsichtig auf die Nase.
    Ich liebe dich, sagte er, und der Kleinen stieg die Röte ins Gesicht.
    Anderntags kam er wieder, er war fünfzehn Jahre alt und fürchtete sich vor nichts. Er warf den Korb um und sah zu, wie die Äpfel auseinanderkullerten. Genauso rollten auch aus dem gemeinsamen Korb der Familie die Leben auseinander. Er blickte sich um, das Mädchen war nicht zu sehen. Dafür ging ihr lauernder Vater auf ihn los, ein Bauer aus Rochus, der brüllend die Faust gegen ihn erhob. Peter schlug ihn so zusammen, dass der Mann

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