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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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Vater dort bei der Apotheke darum flehte, ihm die verbleibende Zeit zu schenken, zu ihm zu ziehen, er würde sie pflegen, sie lieben, und wenn sie sterbe, solle sie ihm sterben, wenigstens ihren Tod solle sie ihm geben, wenn sie schon ihr Leben nicht hatte geben können. Diese leidenschaftliche Romanze dauerte schon Jahre, und Peter war niedergeschmettert und verunsichert. Sein langweiliger, trockener Vater hatte ein geheimes Leben, diese Erkenntnis stürzte ihn in Verzweiflung. So blind, so unsensibel sollte er gewesen sein?! Um so genauer beobachtete er den Leidenden, sog seine Traurigkeit ein und ging dann auch zur Beerdigung. Die Frau starb nach drei Monaten, an jenem Morgen, verbreiteten die Nachbarn, habe sich ein riesiger weißer Falter auf das Fensterglas des Krankenzimmers gesetzt. Antal Schön besuchte sie jeden Tag, auch an jenem Tag war er am Krankenbett. Der Richter nahm dann immer seinem Spazierstock und entfernte sich wortlos, schon an der Ecke erzählte er lustige Geschichten und Witze. Der Lehrer saß neben der Kranken, streichelte ihr die Hand und sprach mit fiebrigen, erstickten Worten zu ihr. All das erfuhr Peter später vom Dienstmädchen des Richters, das auch seine Hebamme gewesen war, und er konnte sich gar nicht vorstellen, dass der Vater außer Grammatikrätseln auch noch anderes erörtern konnte. Nie hat er von ihm einen unterhaltsamen Satz gehört. Die alte Hausangestellte sah ihm mit unschuldigen Augen ins Gesicht.
    Die gnädige Frau hat oft gelacht, sagte sie leise.
    Peter schüttelte den Kopf, nein, das konnte nicht wahr sein.
    Wenn Ihr Vater kam, wurden ihre Wangen rot, sie war glücklich!
    Nein, sagte Peter, das kann ich nicht glauben!
    Und dann, fuhr die Hausgehilfin fort, war zu hören, wie sie glückliche Rufe ausstieß, und wenn der trockene Husten, der sie zuletzt so gepeinigt hat, ihr Kichern unterbrach, dann lachte sie aufs Neue, wenn ihr leichter war.
    Er hatte das Gefühl, anstelle seines Vaters zum Begräbnis zu gehen. Während der Zeremonie starrte ihn Richter Pallagi hasserfüllt an, und wenn Peter sich auch im Hintergrund hielt und unter einer kümmerlichen Robinie abseits der Verwandtschaft stand, der Blick des Richters traf ihn doch. Offenbar suchte er den Liebhaber. Peter sah den Richter an wie einen Hund. Wie wohltuend wäre es, ihn zu verprügeln. Er wurde so wütend, dass er die Faust hob und sie Pallagi zeigte, dem vor Bestürzung der Mund offenstand. Peter sah auch den kleinen Jungen, der verlegen in die Grube starrte, er stand nicht neben dem Vater, eine dicke Frau hielt ihn an der Hand, sieh an, das Kind war schon ausgestoßen!
    Nicht lange nach der Beerdigung, an der teilzunehmen er keine Kraft gehabt hatte, wurde Antal Schön krank, er redete wirr, legte sich oft angekleidet ins Bett und schlief dann die ganze Nacht so. Doktor Schütz übersiedelte regelrecht zu ihnen, er hütete den Kranken. Aus dem grauen Himmel fiel Nieselregen, der Sommer war erkaltet. Doktor Schütz tobte vor Zorn, er schimpfte mit dem Lehrer, weil er sich gehenließ, er schalt ihn, als wäre er vorsätzlich krank geworden. Schließlich forderte der Doktor Peters Vater auf, zu genesen oder, bitte sehr, bitte sehr!, durch das Tor des Todes zu treten, damit sie einander nicht überflüssigerweise die Zeit stahlen. Und Antal Schön wurde gesund, aber geknickt hatte ihn der Verlust doch, und so stellte auch Peter keine Fragen mehr. Als ihn aber eines Tages der Vater fragte, ob er es nicht mit der militärischen Laufbahnversuchen wolle, stöhnte er erleichtert auf, ja, daran habe er selber schon gedacht, er sehne sich so danach, dem Vaterland mit dem Schwert zu dienen!
    Dem Vaterland, hast du gesagt?
    Genau, Vater, dem Vaterland, dem Vaterland!
    Es graute ihm vor der Welt der Kasernen, vor dummen Kommandos, frühem Aufstehen, tölpelhaften Kameraden und groben Offizieren. Er küsste dem Vater die zitternde Hand. Nach nichts anderem sehnte er sich, als fortzugehen, mit der Billigung des Vaters fortzugehen, denn davonlaufen hätte er nun nicht mehr können.

Es lebe der Kaiser!
    Zu der Zeit erreichte Pelsőczy, dass er ein Wrack, einen elenden Schleppkahn, der seit Monaten im Hafen lag, nach Belieben betreten durfte. Und er selbst wurde Soldat! Der Trunkenbold stieg mit seiner Tochter auf das Wrack, sie verbrachten Stunden auf dem vermodernden Gefährt, während sie das Wasser, den Flug der Möwen und die blaue Linie des Gegenufers betrachteten. Das beeindruckte Peter nicht, für ihn war

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