Blumenfresser
ein Klotz, brüllte er immerzu. Ein anderer, der ihn regelmäßig peinigte, der tschechische Leutnant, ein kleiner blonder Kerl, schien rachsüchtig zu sein und grundsätzlich nichts vergessen zu können. Der Tscheche brüllte nicht, gab seine Befehle leise, fast flüsternd, kalt blickte er mit seinen öligen Augen. Er war der Gefährlichere. Ihn hob sich Peter für eine spätere Gelegenheit auf, vielleicht würden sie sich noch irgendwo begegnen, dann würde er die Rechnung begleichen. Als der österreichische Offizier ihm nach einer Schießübung aus nächster Nähe eine seiner blumigerenVerwünschungen ins Gesicht brüllte, die Anspielungen sowohl auf die ungesetzliche Form elterlicher Beziehungen als auch auf die Höher- beziehungsweise Minderwertigkeit von Rassen und Nationen enthielt, packte Peter seinen Kopf wie einen Kürbis. Die gewaltigen Hände schlossen sich um die Physiognomie des Offiziers. Und dann begann er dieses den Fluch hinunterschluckende, erstickende Gesicht zu pressen, es begann unter den Klammern seiner Finger weich zu werden. Er ließ auch dann nicht los, als sich mehrere Männer auf ihn warfen. Zwischen seinen Finger quoll Blut hervor, und später erzählte man sich bei der Artillerie und beim Infanterieregiment, dass der Offizier sich in die Hose geschissen hatte. Man sah ihn nicht wieder, angeblich hatte er um seinen Abschied ersucht, er konnte nur noch stammeln. Im Arrest zollte man Peter Respekt, die Wächter behandelten ihn zuvorkommend, als wäre er ein Gefangener höheren Rangs. Sie wussten, dass sein Vergehen vor das Militärgericht kommen und zu Kerker und Zwangsarbeit führen würde. Aufrichtiger Schrecken fuhr ihm in die Glieder, verzweifelt begann er nachzudenken, doch es war bereits zu spät. Er zog sich die Decke über, es schüttelte ihn wie ein Kind, morgens erwachte er schreiend, trat gegen die Wand. Die Wächter rannten und ließen Ketten klirren, doch Peter lachte sich auf die Schenkel schlagend schallend über sie. Die Dinge, die bis dahin schwarz oder weiß gewesen waren, begannen ihre Farben zu schattieren, sie gingen auseinander hervor, setzten sich gegenseitig voraus und tauschten oft den Platz. Er lernte die Natur der sinnlosen Grausamkeit kennen, er machte Bekanntschaft mit dem Elend der Seele, mit der Demütigung, dem Hunger und der Arroganz der menschlichen Beschränktheit, und vor allem lernte er, wie man auch inmitten der größten Hoffnungslosigkeit nicht glauben darf, dass jeder Ausweg verschlossen ist. Schlimmstenfalls werde ich fliehen, dachte er und verbrachte seine Tage in heiterer Stimmung. Über die Täler rund um Wien strömte milde Luft, der Schnee auf den Hügeln geriet ins Rutschen. Im Februar wurde er mehrmals zum Rapport befohlen, man ließ ihn Schriftstücke unterschreiben, brüllte ihn an, drohte ihm, und er wusste bereits, dass diese Strenge nur noch Routine war. Er war davongekommen! Und sein Gefühl trog nicht. Wenige Tag später ging das gelbe Tor der Garnison auf, einer der Posten hatte Zahnschmerzen, sein geschwollenes Gesicht sah aus, als würde er grinsen. Peter grinste zurück. Er wusste, dass er nicht seiner schönen Augen wegen freigekommen war. Jemand hatte geholfen, hatte sein Schicksal verfolgt! Und der im Hintergrund wirkende heimliche Wohltäter gab sich auch zu erkennen. Kurz vor seiner Demobilisierung bekam er einen Brief von Herrn Schütz, der Doktor äußerte die Hoffnung, dass Peter dieses offenbar überflüssige Abenteuer ohne Schaden überstanden habe, zugleich empfahl er ihm eine Adresse, wenn Peter nach Wien komme, wenn er einige Tage in der Stadt verbringen wolle, was er ihm übrigens von Herzen anrate, dann solle er Frau Sperl aufsuchen, das hübsche Mietshaus, das diese liebenswerte und anständige Frau gemeinsam mit ihrem braven Mann in Ordnung halte, befinde sich in der Nähe des Praters. Blumengasse Nummer drei, Peter solle sich das merken, Frau Sperl, geborene – ach, das sei ja unwichtig.
Peter war frei, quietschend schloss sich das Kasernentor hinter ihm. Er machte einige Schritte auf der knirschenden Schotterstraße, spuckte über einen Fliederbusch hinweg, dann brüllte er glücklich in die Luft. Auf dem nahen Feld flog eine Wolke von Krähen auf. Sie kreisten, flogen nur und krächzten nicht dabei. Stumm und schwarz wirbelten sie in den blauen Himmel hinein.
In Wien weht der Wind anders
Er hatte sein achtzehntes Lebensjahr noch nicht vollendet, doch man betrachtete ihn bereits als Mann. Seine Freunde zu
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