Blumenfresser
aufmerksam an: Ja?
Ich will nur sagen, dass ich verliebt bin.
Oh, Schatz, in wen?!, auf Zsófias Gesicht malte sich ehrliches Entsetzen.
Egal was, verstehst du?, egal was geschieht, in dich!, sagte Peter und zog die Tür zu. Drei Zigarren verpaffte er im Kaffeehaus des Hotels, spülte den bitteren Geschmack in seiner Kehle mit Wein hinunter, und als er aufsah, erblickte er Zsófia, die die Treppe herabschwebte wie ein Traum. Sie trug ein schwarzes Seidenkleid mit weißen Knöpfen, das die Weichheit ihrer vollen Züge hervorhob. Wunderschön!, flüsterte Peter für sich und nickte dem Kutscher der vor dem Hotel wartenden Mietdroschke zu.
Im Wagen wurde ihm klar, dass er für einen Verrat, wie er ihn in diesem Augenblick beging, nie würde Verzeihung erlangen können. Es würde einen Skandal geben, Tränen, einen Selbstmord! Er lächelte Zsófia verkrampft an. In was für eine entwürdigende Lage er sie brachte! Am liebsten wäre er umgekehrt. Doch der Wagen bog bereits in die Schwarzer-Adler-Straße ein, schnaubend bäumte sich das Pferd vor dem Haus seines Bruders auf. Er half Zsófia aussteigen, tief Luft holend öffnete er das Tor,als sei er im Begriff, in böse Tiefen hinabzutauchen. Überrascht betrachtete Zsófia das Haus, doch sie sagte nichts und folgte ihm neugierig. Peters Gesicht war pergamentfarben, Zsófia lächelte. Er wollte die Tür aufdrücken, doch sie öffnete sich von selbst, und auf der Schwelle erschien Klara in voller Pracht, das leichte Damastkleid betonte ihre Schlankheit, sie hatte Rouge aufgelegt und das Haar hochgesteckt, an ihrem Hals glänzte eine schwarze Perlenkette. Vielleicht verlor Peter für einen Moment die Besinnung, denn später konnte er sich nicht erinnern, ob er oder Zsófia die Rollenverteilung geklärt hatten, die Wüstenblume trat flink hinzu, stellte sich vor und zog Klara ohne die geringste Verlegenheit an sich. Wie auch immer es vor sich gegangen war, es gab keinen Skandal, und auf einmal saßen sie im Salon, neben der purpurroten Likörflasche dampften Teetassen, Sandwiches und Gebäck wurden gereicht, und die Bücher und Zeitschriften lagen über das Sofa verstreut wie zuvor.
Die Frauen plauderten zwanglos. Er hockte zwischen ihnen und verstand nicht alles, die Worte waren bekannt, die Absicht, mit der sie ausgesprochen wurden, schon weniger. Er begriff die Bedeutung der Betonungen und des Verstummens nicht, nicht die nuancierten Drohungen hinter den Halbsätzen und den herausfordernden Spott oder die Ruhe des Rückzugs. Das Spiel war ihm fremd.
Zsófia war gut sieben Jahre älter als Klara, und wenn das auch ein bedeutender Vorteil zu sein schien, profitierte Klara von der heimischen Umgebung und ihrer Jugend, die im Geplänkel mit einer Älteren auch unbeabsichtigt zur Waffe werden konnte. Klara war in den Ereignissen des gesellschaftlichen Lebens besser bewandert, sie besuchte häufiger Bälle und Vorträge, während Zsófias Kenntnisse abstrakter waren, von stilleren Gebieten stammten. Klara war klug, Zsófia weise. Alle beide spielten eine Rolle, das immerhin erfasste er, und mit wachsender Hilflosigkeit spürte er auch, dass sie einander nicht direkt, sondern durch ihn hindurch anblickten und die Klingen kreuzten, indem sie sich seines verwirrten Wesens bedienten.Gewisse Feststellungen waren geradewegs an ihn adressiert. Als sei er eine Fensterscheibe, dachte er, durch die hindurch zwei neugierige Geschöpfe einander einer Prüfung unterzogen. Die Wüstenblume verriet mit keinem Wort, dass sie seine Familienverhältnisse nicht kannte, vielmehr ließ sie Bemerkungen fallen, die auf das Gegenteil hindeuteten. Vertraute Bekannte, Freundinnen schwatzten miteinander und nahmen sich dabei beliebtere und ekelhaftere Mitglieder der nahen und ferneren Verwandtschaft vor. Zsófia bedauerte, dass sie noch keine Gelegenheit gehabt habe, Peters Bruder, den berühmten Botaniker, kennenzulernen. Leider pflege der Gelehrte die Beziehungen zu Ostungarn überhaupt nicht, im Gegensatz zu diesem holdseligen Herumtreiber, sie lächelte Peter an, der mit vollem Mund nickte. Oh, er sei keineswegs ein Herumtreiber, widersprach Klara, wann immer es ihm möglich sei, sitze er daheim, helfe ihr bei allem, sorge für sie, man könne jederzeit auf ihn zählen, sie tätschelte ihm die Wange. Peter verschluckte sich an seinem Brot. Unvermutet tauschten die Frauen die Rollen. Zsófia spielte die Rolle der Ehefrau und Klara die der Geliebten. Sie redeten über Wien und Pest, und Peter war
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