Blumenfresser
verblüfft, dass sie einander mit Berichten von Erlebnissen übertrumpften, die aus seinen Erzählungen stammten, das Getümmel des Wiener Faschings und der Pester Bälle, das Konzert von Johann Strauss Sohn, der Mitte Juni in Pest aufgetreten war und für noch talentierter galt als sein Vater. Sie erwähnten die hitzige Atmosphäre der Pressburger Reichstage, und dass Kaiser Ferdinand, der an Epilepsie leide, die Wiener Küche liebe, weswegen ihm die Wiener seine Blödheit verzeihen, oder dass Mozart Fingerhutohren gehabt habe und dass Schubert das neue musikalische Genie sei und die Wiener Kipferln an den türkischen Halbmond erinnerten.
Peter wusste nicht, wohin mit sich.
Bald stellte sich heraus, dass Zsófia in der klassischen Literatur bewandert war und im Garten der griechischen und römischen Künste Spaziergänge der Phantasie machte, während unter ihrem Fenster der Hund des ostungarischen Windes bellte,Klara hingegen am liebsten in den Ruinenlandschaften und dem Mondschein der Romantik umherstreifte. Doch die Namen Kleists, Grillparzers, des fiebernd märchenhaften Raimund oder Nestroys kannte auch Zsófia, und das war für Peter ein schon sehr schwankender Boden, und als die beiden Frauen das Biedermeier erörterten, verlor er endgültig den Faden. Unbefangen und entschlossen examinierten sie sich gegenseitig, und schließlich halfen und ergänzten die Worte einander mehr, als dass sie aufeinanderprallten. Plötzlich war das Spiel zu Ende. Zsófia erklärte, dass sie ins Hotel zurückkehre, morgen reise sie früh ab. Klara drängte sie zu bleiben, bot ihr an, gemeinsam Abend zu essen, doch Zsófia, obwohl die Aufmerksamkeit sie zu rühren schien, ließ sich nicht umstimmen. Zerstreut nahmen die beiden Frauen voneinander Abschied. Wie ermattet sie aussehen, dachte Peter. Klara bat ihn, den Gast ins Hotel zurückzubegleiten, und er, der das Schwerste hinter sich gewähnt hatte, erhob sich verdrossen. Der Sandwichteller war leer. Klara vermied es, ihn anzusehen.
Der Wagen kam rasch, und sie rasselten auf das Hotel Zu den zwei Mönchen zu. Peter hüstelte verloren in seine Faust, Zsófia starrte auf die nachmittägliche Straße hinaus. Und als er leise sagte, ich danke dir sehr, lachte sie auf, doch in dem Lachen lagen weder Vorwurf noch Groll oder Spott. Es schien, als wäre auch die Wüstenblume erleichtert, doch sie sagte nichts. Sie waren beim Hotel angekommen, die Peitsche knallte. Auf den Straßen belebte sich der Verkehr, die Ämter schlossen, Händler und Soldaten, junge Mädchen und ihre Begleiter bevölkerten die Passagen. Beim Hoteleingang unterhielt sich eine kleine Menschengruppe, Peter nickte den Herren zu, dann zog er Zsófia zart zur Seite.
Du hast gewusst, dass es Theater war!, flüsterte er an ihrem Hals.
Natürlich, erwiderte Zsófia, ohne ihn anzusehen.
Peter schwieg beschämt.
Seit einem halben Jahr bin ich mit dem Sohn eines Grundbesitzers verlobt, ein braver Mann, ein wenig langsam, aber zuverlässig. Im kommenden Monat heirate ich, Peter. Doch bevor das geschieht, musste ich noch etwas tun.
Zsófia lächelte müde und traurig.
Und wenn ich … wenn ich ja sage, wenn ich einwillige?!, er schüttelte den Kopf.
Natürlich hätte ich abgelehnt, sagte die Wüstenblume. Und ich habe auch den Plan gefasst, dass du mich weiterhin besuchen kommst. Du kratzt jeden Monat an der Gutshaustür und erzählst mir von Wien, Prag und Buda. Dort auf dem Gut werde ich inmitten von Apfelblüten vergraben sein. Während ich mit schmerzender Brust stille, sehe ich zu, wie die Landarbeiter einander herumhetzen und sich balgen, und passe auf, ob das Dienstmädchen Mehl stiehlt. Ach, ich brauche dich, du Esel!
Peter wollte ihre Hand nehmen, doch Zsófia entzog sie ihm.
Nein, sagte sie, das geht jetzt nicht!
Warum nicht?!, knurrte er.
Du wolltest mich nicht heiraten, und das schmerzt mich schon.
Ich habe doch gesagt, dass ich verliebt bin, nicht?! Peter brüllte fast.
Zsófia zuckte mit den Schultern, jetzt darfst du mich ein Jahr lang nicht anrühren.
Aber nach einem Jahr erwarte ich dich.
Für ihren Teil hatte sie das Gespräch beendet. Sie senkte den Kopf und ging, auch auf dem Treppenabsatz sah sie sich nicht nach ihm um. Peter bemerkte den spöttischen Blick des Hotelbesitzers, er hob den Zeigefinger und drohte ihm, worauf jener rot wurde und mit einem Glas Wein zu ihm lief.
Am nächsten Tag ging Peter zu Pfarrer Kremminger, der lustlos das Pfarrbuch aufschlug. Ja, murmelte er, vor
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