Blumenfresser
Grashalms behelligt uns dieser Grobklotz, dieser Fleischberg?! Die Jungfrau Maria hob die Hände vor ihr blasses Antlitz, der Anblick von so viel Schauerlichem hatte sie ermüdet. Der Märtyrer Stephan senkte den Kopf, er betete mit seltsamen Grimassen. Jesus wies sie zurecht, ach, ich bitte euch, meine Brüder und Schwestern, lacht doch nicht, doch auch er lächelte.
Den Grashalm hat dir bereits derjenige anvertraut, von dem du zuvor gesprochen hast!, sagte er zu Peter.
Ja, aber zuerst hat er ihn natürlich zu uns gebracht, setzte der heilige Stephan hinzu.
Von wem soll ich gesprochen haben?!, plärrte Peter, Reptile wanden sich um seinen Arm.
Von Gustav Schütz, dem Arzt, nickte Jesus und versuchte die rutschende Dornenkrone zurechtzusetzen.
Ja, Peter, mein Sohn, der Doktor hat dir diesen Grashalm längst gegeben.
Das glaube ich kaum!, rief Peter. Wieder trat Stille ein.
Du glaubst nicht?!, fragte Petrus, der Fels, jede Silbe betonend.
Du glaubst dem Sohn Gottes nicht?!, fragte der heilige Matthäus tief bestürzt.
Ich glaube euch nicht!, brüllte er, ich glaube an das alles nicht, ihr macht hier nur so viel Rummel!, Peter brüllte so, dass einige Engel sich die Ohren zuhielten. Zumindest taten sie so, als hätten sie welche.
Gebt mir den Grashalm, und dann bin ich fort!
Jesus hob sein Kreuz, pass auf, Besessener, bezähme dich!
Zähne, was für Zähne?
Willst du mich beißen, Schändlicher?, quietschte die heilige Katharina.
Peter wurde leise, er flüsterte nur noch, während er den Erlöser mit dem Finger in die Brust piekste, du bist nicht Jesus! Du …
Jesus schrie auf, in seinen Augen zuckten Blitze, ich soll nicht Jesus sein?!
Nein, flüsterte Peter, nein, nein!
Auf einmal riefen es sämtliche Heiligen und kirchlichen Würdenträger.
Er soll nicht Jesus sein?!
Da schwang Jesus das Kreuz und versetzte Peter einen Schlag, dass ihn schwindelte, wankend stand er da.
Scher dich heim, mein lieber Sohn.
Aber …
Kein Aber, Peter Schön! Du bist gescheitert. Es ist zu Ende.
Peter nickte benommen, na gut, wenn das so ist, und taumelte zum Ausgang.
Irgendwie gelangte er nach Hause, er wusste nicht, durch welche Straßen er gestolpert war. Niemand wagte den blutigen Mann aufzuhalten, offenbar glaubten alle, er habe sich betrunken und sei eine Treppe hinuntergestürzt. Beim Haustor lehnte er sich an die Wand und spuckte einen Zahn aus, verdammt, ein Schneidezahn, wie würde er von nun an lächeln?
Im Stiegenhaus war der Boden von Blutflecken übersät, blutige Streifen zogen sich in Wellenlinien über die Wand. Auchhier hatte sich, während er fort war, etwas Schlimmes ereignet! Die Wohnungstüren waren verschlossen, Spalette und Vorhänge zugezogen, alle hatten sich verkrochen. Dröhnend rannte er die Treppe hinauf und brüllte, Frau Sperl, Frau Sperl!, er hörte einen Riegel zuknallen, doch er rannte weiter die Treppe hinauf, die Blutschlange an der Wand sah aus, als habe sich jemand, während man ihn davonschleppte, am Verputz festhalten wollen. In einer Blutlache lag ein abgeschnittenes Haarbüschel. Somnakaj! Die Tür von Frau Sperls Wohnung stand offen, sie knarrte im Luftzug, die Zimmer waren verwüstet, Trümmer, Glas und verstreute Habseligkeiten überall. Frau Sperl saß inmitten der Zerstörung und sang leise vor sich hin. Peter brüllte sie an.
Wo sind sie?! Wo sind sie?!
Frau Sperl sah auf, sie haben sie mitgenommen, sie haben sie alle mitgenommen!, ihre Augen waren totes Glas. Das hinderte sie nicht daran, zu lächeln.
Wohin, wohin?!
Vater hat dich mir gegeben, flüsterte Frau Sperl, du bist mein, Peter, mein ist deine Seele, mein ist dein Körper, du gehörst mir mit Haut und Haar!
Peter begann zu frieren, er setzte sich, das Sofa ächzte unter ihm, seine Hände, seine Stirn wurden kalt, kalt rann ihm der Schweiß über den Rücken.
Ich war es, ich habe die Polizei gerufen, murmelte sie.
Warum, warum, Frau Sperl?!
Ich will nur dich!, sagte Frau Sperl. Du und ich, wir ergänzen einander. Du bist die Erde, Peter, und ich der Himmel! Wer aber sind sie, wer sind deine Begleiter? Unkraut, Geschmeiß, Taugenichtse!
Peter blickte fieberhaft um sich, auf dem Tisch bemerkte er einen an ihn adressierten Umschlag, also war auch der Briefträger hier gewesen, nicht nur die Polizei. Der Umschlag war leer!
Wo ist der Brief, Frau Sperl?!
Ich bin Kornelia, Kornelia!, schrie sie, Peter glaubte auf der Stelle taub zu werden.
Wo ist der Brief, Kornelia?!
Ich weiß nicht, wovon Sie
Weitere Kostenlose Bücher