Blumenfresser
Nur zwei alte Totengräber harrten neben dem Sarg aus, es schien ihnen egal zu sein, ob kalter Regen sie bis auf die Haut durchnässte oder Hitze ihnen das Gesicht dörrte. Eine dicke Zigeunerin mit goldener Kette und goldenen Ohrringen watschelte zur Grube zurück, eigentlich hatte sie sich gar nicht davon entfernt, sie war den anderen nur deshalb einige Schritte gefolgt, um zu sehen, wie sie sich unter den Dachvorsprung der Leichenhalle flüchteten. Die Zigeunerin kniete sich vor dem Sarg in den Schlamm und betete weinend. Sie sang auch, keine Rede davon, dass sie eine schlechte Stimme gehabt hätte. Dann löste sie ihr Tuch, riss ihr Kleid ein und machte ihre Schulter frei. Ein Zigeunerzauber vollzog sich, denn sie riss, kein Zweifel, von dort eine Blume aus und ließ sie unter den Sargdeckel gleiten.
Nicht nur die Schmerzen, auch die Wunden wandern, sagte sie. Und die eine Wunde heilt die andere, geh, geh, im Tod soll sie ihm nicht mehr wehtun!
Die Wucherungen in Peters Körper wurden von Doktor Schütz festgestellt, der zu Besuch gekommen war, danach suchte Peter mehrmals den berühmten Dr. Skoda im Allgemeinen Krankenhaus auf, doch interessanterweise ließ er nicht die von Doktor Schütz konstatierte Krankheit behandeln, sondern klagte über irgendeinen geheimnisvollen Messerstich und immer wieder auftretende Schmerzen. Als er der Tatsache ins Auge sehen musste, dass seine Krankheit nicht nur irreversibel war, sondern sein Zustand sich rasant verschlimmerte und ihm kaum einige Monate mehr blieben, bat er Frau Sperl, geborene Kornelia Schütz, um ihre Hand. Über die unbeholfene Formulierung musste er selbst lächeln, denn die eine Hand Kornelias war ja aus Holz. Frau Sperl bestand darauf, ihm in einem nahen Gasthof zu antworten. Ohne mit der Wimper zu zucken, mietete Peter eine Droschke, und da Kornelia ja sagte, kutschierten sie Champagner trinkend und lachend durch ganz Wien, doch vor dem Stephansdom befiel Peter eine schreckliche Unruhe, schließlich konnte er sich nicht zurückhalten, er sprang aus dem Gefährt und stieß Fäuste schüttelnd Drohungen aus. Alles in Ordnung, beschwichtigte Kornelia die herbeieilenden Polizisten, das Glück habe ihrem Bräutigam momentan den Verstand getrübt. Peters sonore Stimme hallte über den Platz, erschreckt flatterten die Tauben auf.
Was für ein Glück?, fragte der Ordnungshüter verständnislos.
Er hat mir jahrelang Anträge gemacht, und in der Zigeunerkneipe namens Gasthof Somnakaj , wo man Rosinen ins Faschierte gibt, habe ich soeben ja gesagt, erklärte Frau Sperl.
Rosinen ins Faschierte?!
Erbsen auch, sagte sie und wischte sich mit ihrem Spitzentuch die Tränen aus den Augenwinkeln.
Die Polizisten sahen zu, wie sich der Mann, wieder zur Ruhe gekommen, in das Innere des Wagens quetschte, und winkten ihnen, schleunigst weiterzufahren.
Sie vermählten sich in der nahe gelegenen Franziskanerkirche, Peter war ein wenig betrunken, noch beim Eingang tat ereinen tüchtigen Zug aus der Schnapsflasche, die beiden Trauzeugen waren aus dem Haus, mit verschämtem Lächeln flüsterte Kornelia ihm ins Ohr, dass der Blaufärber und der Schuster bereits bei der Heirat mit Sperl und mit dem Buchbinder Zeugen gewesen seien, man sah, dass sie etwas von der Sache verstanden, keiner von ihnen stellte überflüssige Fragen, und sie feilschten auch nicht beim Honorar.
Sie zahlen Ihnen, Frau Sp… Kornelia?!
Natürlich, nickte sie, und Peter überlegte, ob wohl auch sein Nachfolger auf diese Weise zum Altar gehen würde. Während der Trauung sah er den leidenden Jesus auf einem Seitenaltar an, ob er ihm wohl etwas sagen würde. Doch Jesus schwieg, er öffnete nicht einmal die Augen.
Ist auch besser, wenn du nichts sagst, murmelte Peter, worauf ihn der Priester groß ansah, was haben Sie gemeint?!
Nach kurzer Zeit bekam das Haus in der Blumengasse einen neuen Hausmeister. Ein vierschrötiger Ungar öffnete und schloss fortan untertänig das Tor, selbst mitten in der Nacht konnte man ihn herausklingeln, Betrunkene und Lärmende schnauzte er nicht an. Peter erklärte Kornelia, dass er sich eigentlich immer nach einem solchen Leben, nach Sicherheit und Einfachheit gesehnt hatte. Er führte sie hinunter zum Tor, dabei hielt er die ganze Zeit ihren Holzarm, was sie erst unten bemerkte. Peter zeigte auf das Tor.
Sehen Sie, Kornelia?
Ich verstehe nicht, sagte sie, ihr schwante nichts Gutes.
Sehen Sie sich die Klinke an, Kornelia!
Sie ist verdammt groß!, knurrte sie, hab mich
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